Spargelpizza mit Kräuteröl
Jedes Jahr im Frühling kommt der Moment, an dem ich sämtliche Zeitschriftenredakteur_innen bedauere, die auch nur entfernt etwas mit Rezepten zu tun haben. Dann nämlich, wenn ich an den langen Reihen der verschiedenen Hefte entlanggucke und überall das Gleiche sehe: Spargel und Erdbeeren, Spargel und Erdbeeren, Spargel und Erdbeeren. Jedes Mal versehen mit dem Hinweis: „Neue Rezepte!“ Oder: „Brandneue Ideen!“
Dann stelle ich mir die Diskussionen in den Redaktionen vor, die vermutlich ungefähr Mitte Dezember stattfinden, wenn im Handel die Weihnachtsplätzchenstrecken liegen („Neue Ideen!“). Die gehen in meiner Fantasie ungefähr so:
„Die Spargel- und Erdbeerstrecke ist fällig. Was machen wir denn diesmal? Wir brauchen was mit richtig Wumms, was Nie-Dagewesenes!“
Schweigen in der Runde.
Eine gelangweilte Stimme: „Wir spargeln uns einmal um die Welt: Spargelceviche. Spargelburger mit Erdbeerketchup. Spargelcurry mit Limettenblättern. Spargeltajine. Spargelpaella. So was.“
Eine zweite gelangweilte Stimme: „Hatten wir schon letztes Jahr. Wie wär’s mit süßen Spargel- und herzhaften Erdbeerrezepten? Ich sehe Spargel-Pannacotta, Spargel-Cheesecake, Spargel-Tonka-Eis. Und Pulled Pork mit Erdbeersalsa.“
Die dritte gelangweilte Stimme: „Ehrlich gesagt: zum Gähnen. Dieses Jahr muss Spargel fermentiert werden! Und die Erdbeeren gleich mit. Am besten mit einer Reportage aus einem Urban-Gardening-Projekt mit wiederentdeckten alten Sorten.“
Wieder Schweigen. Es wird abgeblendet.
Bin ich froh, dass ich meinen Spargel auch im x-ten Jahr zu Saisonbeginn ganz klassisch mit Hollandaise essen darf! (Für die Sauce ist übrigens M. zuständig. Auch das hat Tradition.) Und dann mit unechter Bozener Sauce à la Küchentanz. Ein paarmal als Spargelsalat. Auch mit Misodressing nach Highfoodality macht er sich gut. Natürlich experimentiere ich auch ein bisschen mit dem Gemüse herum, dabei kommen dann zum Beispiel Kichererbsenfladen zu einem Tomaten-Spargel-Gemüse mit Kapern heraus.
Aber niemand zwingt mich, ständig etwas aufregend Neues zu erfinden. Deshalb darf ich mich ganz entspannt in diesem Jahr der Spargelpizza widmen, obwohl deren bloße Erwähnung vermutlich jede Zeitschriftenredaktion in Tiefschlaf versetzen würde, weil: Hatten wir schon vor zwanzig Jahren und seitdem in hundert Variationen.
So what? Bei mir gibt es sie eben jetzt. Und zwar in genau drei Variationen, nämlich mit drei unterschiedlichen Kräuterölen. Das erste Mal habe ich die Pizza gemacht, als sich gerade die letzten Bärlauchbüschel und die ersten heimischen Spargelstangen in den Auslagen zuwinkten, und das Bärlauchöl gab dem Fladen mit dem dünn gehobelten Gemüse einen ordentlich herzhaften Dreh. Fand ich super. Beim nächsten Pizzabacken war die Bärlauchzeit zu Ende. Dafür fiel mir Estragon in die Hände, der mit seiner Anisnote wunderbar zu Spargel passt. Das war die elegante Pizzaversion. Und beim dritten Versuch habe ich ein Dill-Schnittlauch-Öl gemacht: Schnittlauch wiederum für den gewissen Kick, Dill, weil … weil er mein Lieblingskraut ist. Und in der Kombination mit Spargel bisher meines Erachtens unterschätzt.
Drei Varianten, und es muss offen bleiben, welche die beste war. Ich neige zu Dill-Schnittlauch, aber unter den Pizza-Mitvertilger_innen gab es auch deutliche Fan-Stimmen für das Estragonöl. Und gemessen daran, wie schnell die Pizza mit dem Bärlauchöl verschwunden war, fand die ebenfalls Gefallen. Ich würde also sagen: Probiert am besten alle. Noch bis zum 24. Juni gibt es Spargel. Bis dahin ist zweimal Pizza doch locker zu schaffen! Mit der Bärlauchversion müsst ihr ohnehin bis nächstes Jahr warten.
- 600 g Weizenmehl (Type 550)
- 2 TL Salz
- 12 g Frischhefe
- 360 ml lauwarmes Wasser
- 2 EL Olivenöl
- 5 Stängel Estragon ODER 5 Stängel Dill und ⅓ Bund Schnittlauch ODER 1 Handvoll Bärlauchblätter
- 100 ml Öl (nach Belieben Oliven- oder ein neutral schmeckendes Öl)
- 500 g grüner Spargel
- 250 g Mozzarella
- 50 g Parmesan
- 100 g Schmand
- Salz | Pfeffer
- Mehl zum Verarbeiten
- Backpapier für das Blech
- Für den Pizzateig mindestens einen Tag vor dem Pizzabacken Mehl und Salz in einer Schüssel mischen. Die Hefe in dem Wasser auflösen und zugeben, dabei alles mit dem Knethaken der Küchenmaschine gut vermischen. Zum Schluss das Öl einarbeiten. Den Teig in der Maschine 8–10 Minuten bei mittlerer Geschwindigkeit kneten.
- Den Teig in einer gut verschlossenen Schüssel oder Plastikbox im Kühlschrank mindestens 12 Stunden gehen lassen. Mit jedem weiteren Tag wird er besser und aromatischer: Bis zu 7 Tage kann er es im Kühlschrank aushalten.
- Am Backtag den Teig ca. 1 Stunde vor dem Backen aus dem Kühlschrank nehmen, in vier Teile teilen und jedes Teigstück Zimmertemperatur annehmen lassen.
- Für das Kräuteröl die gewählten Kräuter falls nötig waschen, gut trocken tupfen oder schütteln, die Blätter abzupfen (Schnittlauch und Bärlauch einfach grob in Stücke schneiden) und Kräuter und Öl zusammen pürieren.
- Ca. 20 Minuten vor dem Backen den Backofen auf 250 °C (Ober-/Unterhitze) vorheizen. Dabei ein Backblech mit erhitzen. Wer einen Backstein hat, heizt entsprechend früher vor.
- Für den Belag den Spargel waschen, im unteren Drittel schälen und die Enden abschneiden. Den Spargel schräg in sehr dünne Scheiben hobeln oder schneiden. Den Mozzarella klein würfeln, den Parmesan reiben.
- Den ersten Teigball auf der bemehlten Arbeitsfläche ausrollen, über den Handrücken zu mehr oder weniger runden Pizzafladen formen und auf einen Bogen Backpapier legen. Den Fladen mit Schmand bestreichen und mit einem Viertel der Mozzarella- und Parmesanmenge bestreuen. Ein Viertel des Spargels darauf verteilen und alles salzen und pfeffern.
- Die Pizza mit dem Backpapier auf das heiße Blech im Ofen (oberste Schiene) ziehen und 12–15 Minuten backen, bis sie an den Rändern gebräunt ist. Herausnehmen, mit Kräuteröl beträufeln und sofort aufessen.
- Sobald jemand fragt, wo der Nachschub bleibt, die übrigen Pizzen genauso zubereiten.
Von dem Kräuteröl bleibt übrigens reichlich übrig; eine kleinere Menge zu machen bringt trotzdem nicht viel, weil bei zu wenig Öl der Pürierstab nicht richtig arbeitet. Aber das Kräuteröl schmeckt auch zu Pasta (zum Beispiel mit Spargel …), in Kartoffelsuppe geträufelt, zum Dippen mit Weißbrot und etwas Salz … Und ein paar Tropfen Estragonöl verwandeln die nächste Hollandaise in eine Schnellvariante einer Sauce Béarnaise. Und wozu passt die besonders gut? Genau, zu Spargel!
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Das klingt gar köstlich und wird sehr bald nachgebastelt!
Und wie mir scheint, laufen die Redaktionskonferenzen im Food-Sektor auch nicht viel anders als im Tageszeitungs-Geschäft. „Ach, aber das hatten wir doch schon vor xxx Jahren … “ *narf* Puh – das will ich definitiv nicht mehr bis an mein Lebensende hören! Na, ich arbeite dran. :)
Mein Spargelbauer hört leider schon mit dem Stechen auf. Aber ich nehme mir dein Rezept mit für das kommende Jahr, denn das klingt sehr fein!
Oh, so früh schon? Wie schade, dass die Saison schon wieder zu Ende geht. Aber nächstes Jahr – neue Ideen, noch nie dagewesen!
Heute habe ich dein Rezept nachgekocht bzw. -gebacken. Was soll ich sagen: einfach nur köstlich! Und nicht nur ich war begeistert, sondern auch noch drei kritische Teenager. Bei mir gab es das Estragon-Öl dazu. Auch das kam super-gut an. Vielen Dank für dieses tolle Rezept :-)
Oh, das freut mich sehr! :-) Danke für die tolle Rückmeldung.
Danke für dein Mitgefühl, liebe Sabine.
Mit mir brauchst du es allerdings nicht mehr zu teilen, denn ich habe nach fast 10 Jahren WÖCHENTLICHEN Tipps und Warenkunde, Rezeptstrecken und Serviervorschlägen für diverse Lebensmittel die Flinte ins Erdbeer- oder Spargelfeld geworfen und bin ausgewandert…
Ja, es ist tatsächlich so, dass die Beschaffung von Spargel und Erdbeeren dann losgeht, wenn die Weihnachtsglocken läuten – gar nicht lustig und eher frustrierend, aus den kümmerlichen Exemplaren, die dann (eingeflogen!) bereits verfügbar sind, ansprechende Aufnahmen zu machen.
Das Rezeptieren fand ich allerdings nicht problematisch, einem guten Rezeptautor fällt immer eine neue Kombination ein. Aber Jahr für Jahr neue (?) Tipps (nicht Zubereitung) zu Erdbeeren und Spargel, dann Grillen, Konservieren, im Herbst schliesslich zu Pilzen und Wurzelgemüse zu schreiben, ist wirklich nicht so einfach.
Rückblickend hat es aber doch sehr viel Freude gemacht und es gab ja auch immer lustige Momente: wenn ich mich in der Julihitze mit Musik auf Weihnachtsplätzchen einstimmte und eine Nachbarin einmal meinte «Bist du jetzt völlig durchgedreht, ich höre doch, dass bei dir «Jingle Bells» läuft!».
Nun jingelt und bellt es bei mir nicht mehr im Juli, ich backe zur korrekten Jahreszeit ein paar Weihnachtsplätzchen – allerdings hier in den Tropen bei gut 30 Grad. Vielleicht brauche ich das einfach…
Mit besten Grüssen aus Fernost,
FEL!X
Haha, danke für die Einblicke! Ja, wie problematisch manchmal die Zutatenbeschaffung für die entsprechenden Strecken ist, das kriege ich oft von Foodstylisten/Foodfotografen mit. Irgendwie absurd, da wird dann in den Büchern und Zeitschriften eine saisonale, regionale Küche beschworen, und alle wissen, dass für die Fotos alles an Importen rangezogen wird, was zu kriegen ist.