Sättigung, Genuss und die Sache mit dem Buffet
Wir kommen gerade von einem Sonntagsausflug mit feinem Buffet zurück, und ich habe zu viel gegessen.
Diesen ersten Satz für einen Blogartikel hatte ich in dem Moment fix und fertig im Kopf, in dem unsere Tischreservierung für das sonntagmittägliche Buffet der Gutsküche von Gut Wulksfelde klar war. Denn anhand des Völlegefühls nach einer Buffetschlacht lässt sich ganz hervorragend das Phänomen der „sensory-specific satiety“ (sinnes-spezifische Sättigung) erklären: Wenn man sehr viel Käse isst, ist man irgendwann satt. Wenn man sehr viel Schokoladenpudding isst, will man ebenfalls irgendwann keinen mehr. Steckt man sich aber Käsestückchen und Löffel mit Schokopudding immer schön abwechselnd in den Mund, dann dauert es sehr viel länger, bis der Körper signalisiert: Jetzt hör aber mal auf. Das Sättigungsgefühl hängt auch damit zusammen, wie viel man von einem bestimmten Geschmack zu sich genommen hat. Deshalb geht bei den meisten Leuten immer noch Nachtisch, auch wenn sie vom Braten mit Sauce nichts mehr essen könnten. Und deshalb kennen die allermeisten von uns die Situation, dass man angesichts eines Buffets mit lauter verschiedenen Gerichten nicht merkt, wie reichlich der Magen schon gefüllt ist.
Und dann kam alles ganz anders
Schöner Plan also, das mit dem Blogartikel. Nur dass erstens der Sonntagsausflug inzwischen ein paar Tage her ist. Und dass ich zweitens ohne Völlegefühl nach Hause kam. Letzteres liegt natürlich zum einen daran, dass wir uns das Buffet mit einer Radtour erst redlich verdient und nachher zumindest zum Teil wieder abgestrampelt haben (für die Interessierten: Ottensen – Alsterwanderweg vom Alstersee bis zum Rodenbeker Quellental, leider ohne Eisvogelsichtung – Gut Wulksfelde – Duvenstedter Brook mit Kranichfamiliensichtung – Ahrensburg: wunderschöne Strecke).
Zum anderen aber habe ich überhaupt nicht zu viel gegessen. Vielleicht, weil ich für diesen Buffet-Effekt sensibilisiert war. Aber ich glaube gar nicht, dass es daran lag – sondern eher daran, dass das Essen einfach so gut war. Klingt paradox, oder? Aber wenn es wirklich feine Dinge gibt, dann nehme ich mir automatisch mehr Zeit zum Genießen.
Aufforderung zum Genuss
Wenn ein Stück Bio-Schweinsbraten so hervorragend schmeckt wie der in der Gutsküche, mit zartem Fleisch und aromatischem Fett und knuspriger Kruste, mit unglaublich konzentrierter Sauce dazu und neuen Kartöffelchen und perfekt ge-, aber nicht überwürztem jungem Gemüse, wie es der Hof derzeit hergibt – dann lasse ich mir wirklich jede einzelne Gabel voll auf der Zunge zergehen. Und wenn jeder Bissen alle meine Sinne doppelt so intensiv stimuliert wie gewöhnlich, dann brauche ich eben auch nicht zwei Bissen.
Diese vornehme Zurückhaltung wird natürlich ungemein unterstützt, wenn vor dem Buffet nicht gerade handgreifliche Konkurrenzkämpfe um allzu knapp bemessene Leckereien ausgetragen werden. Und das war in der Gutsküche nicht der Fall. Zu voll war das Restaurant nicht. Auch bei Weitem nicht leer, aber ein paar zusätzliche Gäste hätte ich dem Team um Rebecca und Matthias Gfrörer schon noch gewünscht. Für uns war’s natürlich toll. Wir konnten uns zwischen drei Gängen zum Buffet gerne schön geruhsam die Sonne auf die Nase scheinen lassen, ohne Sorge zu haben, dass danach die Käseplatte geräubert oder der wunderbare Schokopudding aus war.
Das ist jetzt zwar schade um den vorher so schön zurechtgelegten Text über das Buffet und das Völlegefühl. Andererseits war mir der perfekte Sonntagsausflug das durchaus wert. Zur sensory-specific satiety kann ich ja immer noch mal was schreiben. Zum Beispiel, wenn ich das nächste Mal eine Packung Chips aufmache und mich nicht bremsen kann, bevor die Tüte leer ist. Die Snackartikelhersteller haben nämlich gelernt, in ihren Produkten verschiedene Geschmacksrichtungen – salzig, süß, umami – so perfekt auszubalancieren, dass der sinnesspezifische Sättigungspunkt möglichst spät erreicht wird. Was nicht zuletzt das Verdienst von Howard Moskowitz ist, über den ich hier schon mal geschrieben habe.
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