Stressessen auf Japanisch: Reis mit Misosauce und Spinat

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Süß soll der essbare Trost sein im Ausgleich zur sauren Arbeit. Außerdem soll er am besten keine anstrengenden Kaubewegungen erfordern – der Alltag fordert schon genug. Milchreis, Grießbrei, Schokopudding (noch warm aus der Schüssel gelöffelt): Das sind echte Stressess-Klassiker. Früher hörte ich außerdem gelegentlich von Frauen, die sich in harten Phasen Babygläschen mit Fruchtpüree kauften und löffelten. Ich bin in solchen Zeiten anfällig für die Verlockungen von Milchmädchen (gezuckerte Kondensmilch), die ich mir direkt aus der Tube in den Mund drücke. Ähem.

Klar, nicht alle Menschen reagieren gleich: Es gibt auch diejenigen, die bei Stress keinen Bissen herunterbekommen, und andere, die am Sandsack Dampf ablassen. Aber bei sehr vielen löst Überforderung das unstillbare Bedürfnis aus, sich ständig etwas in den Mund zu schieben. Essen befriedigt – zumindest kurzfristig. Es dient als Belohnung für harte Arbeit. Es gibt das Gefühl, zumindest in einem begrenzten Bereich das Leben nach dem persönlichen Geschmack gestalten zu können, wenn sich schon alles andere dem eigenen Einfluss entzieht.

Ich mach mir die Geschmackswelt, wie sie mir gefällt

Allerdings sind wir auch darin weniger frei, als wir möglicherweise glauben. Denn dieser persönliche Geschmack ist weniger individuelle Vorliebe als kulturell geprägt. Während bei uns Frauen, die zum Stressessen neigen, ganz überwiegend zu Süßem greifen (siehe oben), gelüstet es Japanerinnen in der gleichen Situation eher nach Sushi und Reis. Das haben Studien herausgefunden. Immerhin lässt sich dabei ein gemeinsamer Nenner feststellen: die Kohlenhydrate von Zucker und Reis. Die wirken nämlich tatsächlich beruhigend. Sie sorgen über ein paar Zwischenschritte dafür, dass im Gehirn genügend Serotonin gebildet werden kann, und dieser Neurotransmitter hilft dabei, Körper und Geist zu entspannen.

Auch ich gehöre zu den Im-Stress-nach-Süßigkeiten-Greifern. Trotzdem habe ich gestern einmal japanisches Stressessen ausprobiert – alle Japaner und Japanerinnen mögen mir die grobe Annäherung an ihre Küche verzeihen! Das Ergebnis hat mich tatsächlich sehr befriedigt: Es macht satt, aber nicht pappsatt. Naturreis und Sesam schmecken schön nussig, die Möhren steuern ein bisschen Süße bei, der Spinat etwas Frisches, und die Misopaste sorgt für eine gehörige Portion Umami, also den fünften Geschmack, den wir mit der Zunge wahrnehmen können. Und das ist etwas, das bei mir unglaublich befriedigend wirkt. Kein Wunder eigentlich, wenn man bedenkt, dass wir diesen Geschmack – genau wie Süß – schon als Babys mit Sättigung und Geborgenheit verknüpfen: Muttermilch ist nämlich nicht nur süß, sondern auch ganz schön umami.

Rezept: Reis mit Misosauce und Spinat

Für zwei gestresste Esser (müssen keine japanischen Frauen sein):

200 g Naturreis
Salz
150 g fester Tofu
2 EL Sojasauce
3 Frühlingszwiebeln
1 große Möhre (oder 2 normale)
1 EL Tahini (Sesampaste, aus dem türkischen Laden)
1 EL Misopaste (z. B. Genmai-Miso, aus dem Bioladen)
1 TL Zucker
200 g frischer Babyspinat
2 EL Öl
1 EL Sesamsamen

Den Reis mit der doppelten Menge Salzwasser in einem kleinen Topf aufkochen und bei geringster Hitze in ca. 35 Min. ausquellen lassen.

In der Zwischenzeit den Tofu in Würfel schneiden (die Kantenlänge ist nicht so relevant – halt Stücke in der Größe, wie man sie nachher gerne im Mund haben möchte) und mit der Sojasauce mischen. Stehen lassen und gelegentlich umrühren, damit alles gleichzeitig mariniert wird. (Ich packe Tofu und Sojasauce immer in eine Plastikbox, die ich gelegentlich schüttle, wenn ich während des Schnippelns daran denke.)

Die Frühlingszwiebeln putzen, waschen und Weißes und Grünes getrennt in Ringe schneiden. Die Möhre(n) schälen, putzen und grob raspeln. Tahini und Misopaste mit 5 EL kochendem Wasser glatt rühren und den Zucker zufügen. Den Spinat verlesen, waschen und gut abtropfen lassen (ich habe ihn in der Salatschleuder trocken geschleudert).

Ungefähr 10 Min. vor dem Reis-Garzeitende das Öl in einer nicht zu kleinen Pfanne erhitzen. Das Weiße der Frühlingszwiebeln ca. 2 Min. darin bei mittlerer Hitze anschwitzen. Die Möhrenraspel dazugeben und bei kleiner Hitze unter gelegentlichem Rühren ca. 5 Min. mitbraten.

Den Reis (falls er nicht die gesamte Flüssigkeit aufgesaugt hat) in ein Sieb abgießen, kurz abtropfen lassen und mit dem Tofu (samt Flüssigkeit) und der Misosauce zu den Möhren geben. Alles kurz heiß werden lassen. Direkt vor dem Essen die Spinatblätter und das Frühlingszwiebelgrün unterheben. Die Reispfanne auf Schüsseln verteilen und mit dem Sesam bestreuen.

Zubereitungszeit: ca. 40 Min.

Anmerkung: Wer keinen Naturreis, sondern weißen Reis nimmt, spart natürlich Zeit. Allerdings schmeckt der Naturreis hier wirklich besonders gut.

Anmerkung zwei: Falls unter Euch Japanischkundige sind, die messerscharf erkennen, dass auf dem Bild Stäbchen mit nicht-japanischen (also beispielsweise chinesischen) Schriftzeichen abgebildet sind, seht es mir nach – ich kann die nämlich nicht unterscheiden. Oder schickt mir ein paar hübsche japanische Stäbchen, damit solche Fehler nicht wieder vorkommen.

3 Gedanken zu “Stressessen auf Japanisch: Reis mit Misosauce und Spinat

  1. anette

    Oh, das ist ein guter Tipp. Das werde ich demnächst mal ausprobieren. Mein Problem ist nur: Wenn ich Stressessen brauche, brauche ich es sofort. Naturreis hat da so gewisse Performance-Probleme… Aber ich werde es mal probieren, im Akutfall die Chipstüte zu ignorieren und stattdessen Reis quellen zu lassen!

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Stimmt schon: besonders superfix ist das nicht. Es geht ja auch mit weißem Reis, aber die Färbung wird halt mit der braunen Misosauce ein bisschen … interessant. Allerdings gibt es für mich Stressessen und Stressessen: einmal das, das sofort auf dem Tisch stehen muss. Das ist dann auch für mich eher die Kategorie Käsetoast. Oder – gerade in länger anhaltenden Stressphasen – das, bei dem ich kochend entspannen kann. Naturreis fällt eher in die zweite Kategorie. (Andere rühren Milchreis.)

  2. Pingback: So was von kein Rezept: Salzzitronen | Schmeckt nach mehr

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