Nudelteigtaschen nach dem Großen Glander: Kimchi-Mandu
Werbung! Nach neuesten Vorschriften muss ich jede Rezension als Werbung kennzeichnen, auch wenn ich dafür nicht bezahlt werde, und egal, ob ich das Buch vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen oder es selbst gekauft habe. Es reicht, dass ich auf einen Webshop verlinke.
Essen schmeckt nie nur nach Essen. Das war der Grundgedanke, der am Anfang dieses Blogs stand. Essen kann nach Kindheit schmecken, nach Freiheit, nach „Ich liebe dich“ und „Mir alles egal“, nach schlechtem Gewissen oder Selbstkasteiung – die Emotionen, die daran hängen, sind so vielfältig wie die Gerichte der Welt.
Jede Menge Stoff für Romane, sollte man meinen. Aber bisher habe ich noch nicht viele gelesen, in denen Kochen und Essen eine zentrale Rolle spielen und die mich zudem überzeugt hätten. Großer Bruder von Lionel Shriver fällt mir ein – ein sehr kluges Buch. Han Kangs Booker-Prize-gekrönter Roman Die Vegetarierin* (Werbelink), in dem das Nicht-Essen (von Fleisch) die Ereignisse ins Rollen bringt, hat mich ratlos zurückgelassen: Die Hauptfigur blieb mir fremd; ihre Beziehung zum Essen und zum Leben ebenso.
Das sieht bei Stevan Pauls erstem Roman Der große Glander* (Werbelink!) vollkommen anders aus. Die Geschichte – der Aufstieg eines jungen Mannes aus der deutschen Provinz zum hochgejubelten Künstler, sein Verschwinden und die Suche nach ihm – steht für mich dabei keineswegs im Vordergrund, auch wenn sie genügend Spannung entwickelt, um den großen Romanbogen zu schlagen. Viel interessanter fand ich die vielen Geschichtchen, die teils im Erzähl-Hauptstrang verarbeitet und teils eingestreut sind: Scheinwerfer, die kurz aufleuchten, eine (Neben-)Figur und ein prägendes Ess-Erlebnis aus dem Dunkel hervortreten lassen und wieder ausgehen.
So wie Philip, Volontär bei der Kunstzeitschrift, deren Redakteur sich auf die Suche nach dem verschwundenen Eat-Art-Künstler Glander macht. Philips Rolle im Roman – unbedeutend. Aber einen Moment begleiten wir Leser_innen ihn trotzdem, den jungen Mann aus Waltrop, der jetzt in die Großstadt Hamburg gezogen ist und sich dort durch die fremden Gerichte in einem Asia-Imbiss probiert:
Die Speisen schmecken wie sein neues Leben, denkt Philip, er findet diese Weisheit auf dem Boden des dritten Pflaumenschnapsglases. Schluss mit Langeweile und Kleinstadt, so sollte sein Leben ab jetzt immer schmecken, ungekannt würzig, neu und aufregend scharf.
Sicher, nicht immer lässt sich Essen unfallfrei in eine Metapher übersetzen (schon gar nicht ohne Einfluss von Schnaps). Das hat Stevan Paul auch nicht nötig. Auch so gelingt es ihm, die persönliche, emotionale Dimension von Essen in Momentaufnahmen erlebbar zu machen. Das hat mich schon in seinem Kurzgeschichtenband Schlaraffenland begeistert, und das begeistert mich auch beim Großen Glander. Im Übrigen, weil es hier ja gerade um das farbige Schreiben übers Essen ging: Das ist eine Kunst, die Stevan Paul wirklich meisterhaft beherrscht. Der Roman eignet sich daher durchaus als Anschauungsmaterial für alle, die in dieser Hinsicht ihre Ausdrucksmöglichkeiten erweitern wollen. Man kann aber auch einfach einen wunderbaren Schmökersonntag damit verbringen!
Zurück zu Philip und dem Geschmack der Großstadt: Er findet ihn unter anderem in Teigtaschen mit Kimchi-Schweinehack-Füllung. Und als der Mairisch-Verlag zur Glanderblogparade aufrief, um Blogger_innen die Rezepte zum Großen Glander nachkochen zu lassen, da blieb ich bei diesen Teigtaschen hängen. Schließlich habe ich mich im letzten Jahr während der Lektorats- und Textarbeit an dem Kochbuch Kimchi Princess* (Werbelink!) von Young-Mi Park-Snowden intensiv mit der koreanischen Küche beschäftigt. Und dabei natürlich auch nach ihrem Rezept Kimchi angesetzt, den scharf-würzigen fermentierten Chinakohl, ohne den die koreanische Küche nicht denkbar wäre.
Die wichtigste Komponente für die Teigtaschen – koreanisch Mandu – war also vorhanden. Für das genaue Rezept ließ ich mich sowohl von Miss Boulette (Füllung) als auch von der Kimchi Princess (Dip) inspirieren. Allerdings habe ich den Tofu in der Füllung weggelassen (weil ich vergessen hatte, welchen einzukaufen …), und der Einfachheit halber habe ich fertige Teigblätter verwendet, die es tiefgefroren im Asienladen gibt.
Das Füllen und Fälteln hat etwas Meditatives. Genau das Richtige für einen Sonntagnachmittag. Und was für ein Ergebnis! Jeder Biss durch die dünne Nudelteighülle wird mit dem herzhaft-fleischigen Geschmack der Füllung belohnt, dazu der süß-säuerlich-salzige Dip … wunderbar!
Mir haben die Kimchi-Mandu übrigens nicht wie Philip nach Freiheit und Abenteuer geschmeckt. Für mich hatten sie eher etwas Entstressendes; ein bewusstes „Ich gönne mir die Auszeit“: für das Falten wie für den Genuss. Aber ich bin ja auch reichliche zwanzig Jahre älter als Volontär Philip im Großen Glander.
- 1 ½ Pck. (à 150 g) runde TK-Teigblätter für Mandu/Gyoza (Asienladen, Ø 7,5 cm)
- ½ kleine Zwiebel
- 1 ½ Frühlingszwiebeln
- 1 haselnussgroßes Stück frischer Ingwer (ca. 5 g)
- ½ Knoblauchzehe
- 150 g Kimchi (Asienladen oder selbst eingelegt)
- 200 g Schweinehackfleisch
- Salz
- ½ TL Sesamsamen
- 1 kleine Frühlingszwiebel (nur das Grüne)
- ½ Knoblauchzehe
- 1 EL Zucker
- 2 EL helle Sojasauce
- 1 EL Weißweinessig
- 1 TL Sesamöl
- 1 EL Wasser
- ½ TL Gochugaru (koreanische Chiliflocken, nach Belieben)
- Bambus-Dämpfkörbchen
- Wok mit Deckel
- Gut 3 Stunden vor dem Essen die Mandu-Teigblätter aus dem Tiefkühler nehmen und auftauen lassen (das dauerte bei mir 1 Stunde 30 Minuten).
- In der Zwischenzeit für den Dip den Sesam in einer Pfanne ohne Fett anrösten, bis er duftet, und in ein Schälchen umfüllen. Das Frühlingszwiebelgrün waschen und in feine Ringe schneiden (den Rest der Frühlingszwiebel für die Mandu-Füllung beiseitelegen). Die Knoblauchzehe schälen, halbieren, die Hälfte für die Mandu-Füllung beiseitelegen und die andere Hälfte durch die Presse zum Sesam pressen. Frühlingszwiebelgrine, Zucker, Sojasauce, Essig, Sesamöl, Wasser und Gochugaru ebenfalls zugeben und alles verrühren.
- Für die Mandu-Füllung die Zwiebelhälfte schälen und fein hacken. Die Frühlingszwiebeln putzen, waschen und in feine Ringe schneiden. Mit den Zwiebelwürfeln in eine Schüssel geben. Den Ingwer schälen, in Stücke schneiden und mit der halben Knoblauchzehe dazupressen. Das Kimchi mit den Händen sehr gut ausdrücken und fein hacken. Mit dem Schweinehackfleisch in die Schüssel geben, alles mit ½ TL Salz würzen und sehr gut verkneten. Abgedeckt in den Kühlschrank stellen.
- Sobald die Teigblätter aufgetaut sind, in kleines Schüsselchen mit Wasser bereitstellen. Das Bambus-Dämpfkörbchen mit etwas Backpapier auslegen (erst zerknüllen, dann wieder glatt streichen, dann liegt es darin, ohne sich aufzurollen).
- Auf der Arbeitsfläche ein paar Teigblätter nebeneinander auslegen und je 1 TL Füllung daraufgeben. Den Teigrand mit dem Finger mit etwas Wasser bestreichen, den Teig über der Füllung zusammenklappen und fest zusammendrücken (wer mag, kann die Ränder in dekorative Falten legen). Fertige Mandu in das Dämpfkörbchen setzen. Sobald es voll ist (ohne dass sich die Teigtaschen gegenseitig berühren!), in einem Wok Wasser aufkochen, das Dämpfkörbchen hineinsetzen und die Teigtaschen 10 Minuten dämpfen. Unterdessen die übrigen füllen und verschließen, dann ebenso dämpfen.
- Die fertigen Teigtaschen mit dem Dip servieren.
Wer mag, kann die Teigtaschen nach dem Dämpfen noch in 1 EL Öl in einer beschichteten Pfanne knusprig anbraten.
Stevan Paul
Der große Glander*
Mairisch Verlag, 2016
Hardcover, 285 Seiten
ISBN 9783938539408
Preis: 20,00 € [D]
- Frühling ist, wenn’s grün wird: Brennnessel-Malfatti
- Echt effektive Eiweiß-Resteverwertung: Angel Food Cake
Die sind aber schön geworden!
Und das aus dem Mund der Teigtaschenqueen! Danke schön – aber ich glaube, das liegt vor allem daran, dass ich fertigen Teig verwendet habe. Mit dem perfekt rund Ausrollen hab ich’s ja nicht so … Ich war übrigens überrascht, dass du mir das Rezept bei der Blogparade nicht schon weggeschnappt hattest. Aber dann hab ich gesehen, dass es zweierlei Nudeltaschen gab. ;-)
Oh Du schreibst ja toll 😍,
wie spannend zu lesen, insbesondere welche Passagen andere bewegen.
Mir hat es ja der alte Küchenchef angetan, der aus seiner Kochjacke den goldenen Löffel zum probieren holt….
Oh, vielen Dank! Stimmt, den goldenen Löffel fand ich auch toll. :-)
Oh, wie hübsch die aussehen! Und in der Tat: Natürlich wie immer sehr kundig & souverän und dazu aus meiner Sicht auch höchst treffend beschrieben, der Roman! :)
Danke schön! Dass wir bei dem Roman einer Meinung sind, haben wir ja schon festgestellt. :-)
Ich muss dringend wieder Teigtaschen machen!
Das Buch habe ich im letzten Sommer im Tessin verschlungen – perfekte Urlaubslektüre, die hungrig macht :-)
Ja, ein echter Verschling-Roman!