Immer alles mit Liebe? Großmutters Küche

Großmutters Küche ist ein Begriff, der bei den meisten von uns Heimweh- und Sehnsuchtsgefühle wachruft. Sogar bei mir, obwohl ich an die Kochkunst der einen Oma, die ich kannte, eher … gemischte Erinnerungen habe. Am deutlichsten im Gedächtnis geblieben sind mir knallharte, spätestens Ostern nach Schrankmuff schmeckende Springerle, immer Salzkartoffeln zum Sonntagsbraten und das Mal, als ich  im Chicoreesalat mit Speckwürfeln mal auf einen Stich Margarine gebissen habe. Keine Ahnung, was der darin zu suchen hatte. Möglicherweise tue ich meiner Oma mit diesen Erinnerungen unrecht – meine Mutter  versichert jedenfalls, ihre Schwiegermutter hätte durchaus gut gekocht.

Eins der handschriftlichen Kochbücher meiner Großmutter

Eins der handschriftlichen Kochbücher meiner Großmutter

Sagen will ich damit auch nur, dass die kulinarische Heimeligkeit, welche die Kombination von „Großmutter“ und „Küche“ suggeriert, möglicherweise zu einem nicht ganz unerheblichen Teil ein Klischee ist. Aber ein durchaus wirksames, wie ich selbst bei der Arbeit an den Kochen-wie-früher-Kochbüchern Küchenschätze und Backschätze* deutlich gemerkt habe. (Natürlich habe ich in der Zeit auch viele Rezeptgeschichten von Leuten gehört, die ganz echt und wirklich positive Erinnerungen an die Gerichte ihrer Großmütter hatten.) Und vielleicht hat mich das Kochbuch von Oma und Bella unter anderem auch deshalb so berührt, weil kochende Großmütter eben für Geborgenheit und eine in jeder Hinsicht wärmende Küche stehen. Nicht nur in der Werbung.

Der Fotograf Gabriele Galimberti hat für seine Fotoserie „In Her Kitchen“ kochende Omas in (fast) aller Welt besucht und mit den Gerichten abgelichtet, die sie für ihre Familien zubereiten. Der Einleitungstext behauptet vollmundig, Großmütter kochten überall auf der Welt mit besonderer Liebe und wüssten am besten, was gut für die (Enkel-)Kinder ist. Nun ja. Komischerweise würde so etwas vermutlich auch niemand für irgendeinen anderen Lebensbereich (Beziehungen, Beruf, Einrichtungsstil …) behaupten, aber beim Kochen und Essen scheint das allgemein akzeptiert zu sein.

Spannend finde ich die Fotos allemal (nicht zuletzt auch die Tatsache, wie jung manche der Großmütter aussehen). Jetzt interessiert mich: Wie ist das bei Euch? Welche Assoziationen, welche Erinnerungen weckt das Stichwort „Großmutters Küche“?

 

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12 Gedanken zu “Immer alles mit Liebe? Großmutters Küche

  1. Chawwa

    Nicht nur das Essen, auch das Erinnern an die „Kochkünste“ der Großmütter hat viel mit Gefühlen und der eigenen Lebensgeschichte zu tun:
    Die Weihnachtsplätzchen meiner Großmutter schmeckten einfach wunderbar! Meine Mutter hielt nichts von ihnen, aber wir Kinder mochten sie, und mein Vater aß sie immer mit verklärtem Gesicht. Leider hat er seine Mutter zu spät nach dem Rezept gefragt. In ihrer beginnenden Demenz hatte sie schon viel verloren, leider auch das Plätzchenrezept. Vor einigen Jahren habe ich es aber durch Zufall herausgefunden, als ich beim Backen von Mandelplätzchen die Mandeln vergessen und einen Teil des Mehls durch Vollkornmehl ersetzt hatte. Es war ein einfacher Mürbeteig aus Fett, Mehl, wenig Zucker und Vanille(aroma), ganz hell abgebacken, ein richtiges Notzeitenrezept. Aber meinen Vater erinnerte es an die Zeit, als man wieder genug Backzutaten ergattern konnte, um zu Weihnachten Plätzchen zu backen – er hat als Junge den Hungerwinter 1917 erlebt und dann noch die Zeit der Inflation während der Weimarer Republik. Was Wunder, dass er die einfachen Plätzchen seiner Kinderzeit liebte!

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Hallo Chawwa,
      ja, genau so was meinte ich: wenn sich Erinnerungen an bestimmten Gerichten festmachen. Schöne Geschichte, die mit den Weihnachtsplätzchen! Und sie beweist eben: Dass „Omas Küche“ für die meisten von uns einen so emotionalen Klang hat, hat nichts damit zu tun, dass die Gerichte der Großmütter nun wirklich so besonders raffiniert gewesen wären. Manchmal sind es ganz einfache Dinge. Die Wirkung macht das Drumherum aus – die Erinnerung an den Menschen, an bestimmte Situationen oder Traditionen.

  2. Esther

    Bei mir ist es nicht die kochende Großmutter, sondern meine „Tante“, also eigentlich die Hauswirtschafterin meiner Großeltern, die sowohl meine Mutter und ihren Bruder als auch mich und meine Schwester mit aufgezogen hat. Ihre Kochkünste verbinde ich immer auch mit einem großen gemeinsamen Familienessen, alle kamen dafür jeden Mittag nach Hause. Und mit ihrer herzlich-ruppigen Art. Ihre Gerichte sind wirklich klasse, auch wenn wir viele ihrer Rezepte haben, weder meine Eltern noch ich kriegen die einfach so hin. Ist auch schwierig bei Angaben nach Gefühl. :-) Noch heute versorgt sie mich regelmäßig mit Fress- und Carepaketen zum Geburtstag und zu Weihnachten, damit das Kind was Anständiges zu essen hat.

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Oh, das glaube ich, dass tägliches gemeinsames Mittagessen mit allen auch nach Jahren noch positive Erinnerungen wachruft! Und Fresspakete – das klingt toll. Die hätte ich auch gerne! ;-)

  3. Bettina

    Meine Oma kann tolle Mehlspeisen und Wiener Schnitzel machen, den Rest eher so… na ja. Aber was ich interessant finde: Warum eigentlich immer die Großmütter und nicht die Mütter, die für die meisten ja doch der viel unmittelbarere und stärkere Einfluß sind? Weil die zu einer Generation gehören, für die Tütensuppe etc, eigentlich alles, was die Zeit in der Küche verkürzt, noch ein Ausdruck von Emanzipation ist? Oder muß man sich (nicht nur in der Küche, aber auch dort) von seiner Mutter abgrenzen, von seiner Großmutter aber nicht?
    Ich persönlich finde die „gefühlige Schiene“, mit der viele Kochbücher operieren, mittlerweile oft eher störend.

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Das mit den Müttern und Großmüttern habe ich mich auch schon oft gefragt. Aber ich glaube, hier ist wirklich ein mächtiger, werbungsverstärkter Mythos am Werk. Sonst wäre es ja nicht zu erklären, dass auch bei mir die Großmutterküche so starke Geborgenheits- und Genussassoziationen hervorruft – dabei hat meine Mutter, da war ich schon als Kind von überzeugt, tausendmal besser gekocht als meine Oma. Im Übrigen gehörten ja auch unsere Großmütter schon zur überzeugten Convenience-Fraktion – deshalb muss ich immer ein bisschen grinsen, wenn Leute wie Michael Pollan zur Regel erheben, man solle nichts essen, was die eigene Großmutter nicht als Essen erkannt hätte. Im (oben abgebildeten) Kochbuch meiner Großmutter aus ihrer Hauswirtschaftsschule kommt in fast jedem herzhaften Rezept Maggi vor. Und Puddingpulver war ja auch zu Großmütterzeiten schon der Hit.

      1. Bettina

        Bei meiner Oma, Jahrgang 1924 , war convenience nie ein Thema – ist es eigentlich erst, seit sie nicht mehr so kann, wie sie will. Insofern kommt es glaube ich stark darauf an, über welche Generation wir sprechen, und Michael Pollan hat vielleicht doch nicht so unrecht…

  4. Annette

    Ich habe als Kind meist bei Oma und Opa (lebten bei uns im Haus im Erdgeschoss) zu Mittag gegessen. Später aß die Oma bei uns oben – so kehrt sich das manchmal um … Jedenfalls erinnere ich mich gut an ihre große Wohnküche und ans „gemeinsame“ Backen (sie buk, ich aß den rohen Teig …) vor Weihnachten. An Gerichten sind mir eigentlich nur wenige in Erinnerung geblieben: Markklößchensuppe und rostige Ritter. Ach ja, und ihr Kerscheplotzer war legendär. Bin gespannt, ob Du als Nordi den Begriff kennst ;-).

  5. Sabine Schlimm Artikel Autor

    Hi Annette, das sind ja wirklich eindrückliche Erinnerungen an Omas Küche! Kerscheplotzer kenne ich (in der eingehochdeutschten Version Kirschenplotzer), seit meine fantastische Co- und Rezeptautorin Anne-Kathrin Weber als waschechte Schwäbin darauf bestanden hat, dass das Rezept in unser Buch „Küchenschätze“ gehört. ;-) Aber was sind rostige Ritter? Ich kenne nur arme Ritter. Was macht den Rost aus? Klingt jedenfalls sehr spannend.

  6. Annette

    Rostige Ritter sind das gleiche wie arme Ritter. Also diese in Milch eingeweichten alten Brötchen, angebraten und dann in Zucker und Zimt gewälzt. Sie nannte sie auch Karthäuserklöße (die pfälzische Aussprache erspare ich Dir jetzt *g*).
    Als ich nach Kerscheplotzer gegoogelt habe, war ich erstaunt, dass es davon auch Versionen gibt, die eher wie ein Auflauf aussehen. Für mich war das immer eindeutig ein Kuchen. Als hochdeutsche Übersetzung habe ich noch Kirschenmichel gefunden, das klingt auch nett, finde ich.

    1. Sabine Schlimm Artikel Autor

      Okay, die Welt des Plotzers scheint größer zu sein als gedacht. Ich kenne tatsächlich nur die Auflaufvariante. Jetzt muss ich mal das Internet durchsuchen. Und gerade ist ja praktischerweise Kirschenzeit – da kann ich Rezeptfunde gleich verwerten! ;-)

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