Erdbeere mit Lippenstift
Die Erdbeere ist eine Solistin. Ganz pur, ohne alles Drumherum, liefert sie die überzeugendste Vorstellung ab – jedenfalls sofern sie im Frühsommer auf einem sonnigen Feld wachsen durfte. Zugegeben, ich habe ein bisschen gebraucht, um den Reiz der nackten Frucht zu entdecken. Zu Hause wurden Erdbeeren bei uns schüsselweise eingezuckert und aus Schälchen gelöffelt. Erst als Studentin begriff ich, dass man auch durchaus einfach in die Beere beißen kann, ohne dass sich Messer oder Zuckerdose in der Nähe befinden.
Seitdem esse ich Erdbeeren in der Saison weitgehend pur. Na gut, sie kommen auch mal ins Müsli, und wenn sie ihre besten Zeiten hinter sich haben, fällt mir auch die eine oder andere Verwertung dafür ein. Aber sonst darf die Beere solo ins Rampenlicht in den Mund. Eine Ausnahme mache ich in letzter Zeit allerdings für langen Pfeffer.
Ich weiß. Erdbeeren und Pfeffer sind zu einem kulinarischen Klischee geworden; die Kombination klingt nach prätentiösem Seht-her-ich-bin-Gourmet-Kram. Aber manchmal enthält ja ein Klischee im Kern ein echtes (Geschmacks-)Erlebnis: Irgendjemand hat mal beim Biss in eine mit Pfeffer bestreute Erdbeere einen Wow-Effekt gespürt. Mir ging es jedenfalls beim ersten Mal so – nur dass ich den Test nicht mit gewöhnlichem schwarzem, sondern mit langem Pfeffer gemacht habe.
Diese Pfeffersorte habe ich noch vor ein paar Jahren ehrfürchtig aus einem Delikatessengeschäft nach Hause getragen. Inzwischen sehe ich sie viel häufiger, an Gewürzständen auf Märkten zum Beispiel. Wobei der Unterschied zwischen „häufiger“ und „häufig“ immer noch deutlich und dieser Umstand wiederum an sich bemerkenswert ist: Schließlich war Piper longum das Gewürz, das man ursprünglich bei uns meinte, wenn man „Pfeffer“ sagte. Der kuglige schwarze Pfeffer (Piper nigrum), den wir heute kennen, hat sich als Newcomer Namen und Popularität des Vorgängers gewissermaßen erschlichen.
Die Früchte des langen Pfeffers sehen aus wie kleine Haselkätzchen, die sich allerdings beim Mörsern als ziemlich hart herausstellen. Und gemörsert werden muss; fertig gemahlen habe ich den Pfeffer noch nie gesehen. Das Gewürz ist schärfer als schwarzer Pfeffer und hat vor allem einen ganz eigenen Duft und Geschmack, der mich am ehesten an Weihrauch erinnert. Damit stehe ich allerdings möglicherweise alleine; Gernot Katzer schreibt zum Aroma:
Scharf und warm, mit süßlichen und erdigen Obertönen (manche fühlen sich an feuchte Hanfseile erinnert).
Hmm.
Wie auch immer, warum auch immer: Ich finde, dass langer Pfeffer besonders gut zu Fruchtigem passt. Zum Beispiel zu Erdbeeren. Womit dieser Artikel endlich zum Punkt kommt, der da heißt: Gehet hin und probieret! Die Kombination schmeckt wunderbar. Der Pfeffer drängelt sich nämlich nicht an der Diva vorbei ins Rampenlicht, sondern gibt ihrem Auftritt noch ein bisschen mehr Glanz. Vielleicht so wie ein schöner Lippenstift – in Erdbeerrot natürlich.
Und, wie esst Ihr Erdbeeren am liebsten? Pur oder mit einem kulinarischen Partner?
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- Interview: Brasilianisch-deutsche Heimwehküche
Erdbeeren esse ich am liebsten während des Pflückens in Mutters Garten. :-)
Und das mit dem Langpfeffer probiere ich, habe bislang nämlich noch keinen besonders guten Einsatzort für den harzigen Gesellen gefunden.
Liebe Grüße,
Eva
Ach, selber pflücken – ich beneide Dich! Und was den Pfeffer angeht: Ich finde ja, der macht sich besonders gut zu Fruchtigem.
Ich gestehe, ich liebe nicht ganz steif geschlagene Sahne (ungezuckert!), schön kalt, zu frisch gepflückten, sonnenwarmen Erdbeeren. Ansonsten eher pur. Oder mit einem Tröpfchen Orangenlikör…
Liebe Grüße, Sus
Orangenlikör – mmh, das klingt auch, als wäre es einen Versuch wert.
Fast so gut wie Erdbeere pur: Erdbeer-Mango-Salat mit Orangensaft, Basilikum und gerösteten Pinienkernen. Leider bekommt man zur hiesigen Erdbeerzeit nur selten richtig gute Mangos …
Ich sehe schon, von meinem Erdbeerpurismus-Trip muss ich früher oder später wieder runter … Ich hatte übrigens im letzten (vorletzten?) Jahr einen Erdbeer-Gurken-Salat mit Minze ausprobiert. Den fand ich auch sehr fein!