Ein „Food-Experiment“ – und was es beweist

Feinschmeckern werden Hähnchen-Nuggets vom Fastfoodriesen als Bio-Lebensmittelinnovation untergejubelt, und sie merken’s nicht mal! Hahaha. Gut, das hämische Lachen steht in dem Bericht des Stern eher zwischen den Zeilen. Aber die Schadenfreude, dass sich angebliche „Food-Exerten“ dermaßen zum Narren gemacht haben, ist unüberhörbar.

Fastfood Angebotstafel

Im Übrigen macht der Fastfood-Gigant inzwischen selbst in Bio.

Kurze Zusammenfassung: Ein niederländischer Sender schickt zwei Mitarbeiter auf eine Feinkostmesse. Dort bieten sie an einem Stand Kostproben an: Hähnchen-Nuggets von McD, die sie aber als „bio“ und „innovativ“ anpreisen. Das Publikum, das in dem Filmchen gezeigt wird, ist begeistert (über den nicht gefilmten Teil des Publikums wissen wir nichts): Die Kostproben schmeckten, so erklären sie, frisch, lecker und auf jeden Fall besser als im Fastfoodrestaurant.

Nur: Was beweist dieses „Experiment“ eigentlich?

Dass die „Food-Experten“ keine Ahnung haben? Vielleicht sollte man erst mal fragen, wer die Messebesucher_innen eigentlich zu Experten stilisiert hat. Auf der Website zur Messe habe ich keinen Hinweis darauf gefunden, dass nur Fachpublikum zugelassen ist. Und auch Fachpublikum heißt ja in der Regel: Einkäufer_innen für die Gastronomie und den Handel. Eine Feinschmecker-Prüfung muss man dafür in der Regel nicht ablegen.

Aber selbst wenn die Gezeigten tatsächlich allesamt Gourmets gewesen sein sollten, nach welchen Kriterien auch immer: Warum hätten sie (so die unausgesprochene Annahme) sofort schmecken müssen, was sie hier essen? Wenn die Produkte der bekannten Fastfoodfirma augenblicklichen Würgereiz auslösen würden, hätte sich die Kette niemals über den ganzen Erdball verbreiten können. Tatsächlich beschäftigen sich ja nicht nur in dieser Firma, sondern in der gesamten Lebensmittelindustrie Heerscharen von Lebensmitteltechniker_innen damit, Produkte zu entwickeln, die den Geschmack möglichst vieler Menschen treffen und dabei auch noch „natürlich“ schmecken. Wobei diese „Natürlichkeit“ ja ein durch ebendiese Industrie antrainiertes Geschmacksprofil ist.

Huhn

Muss man bei einem hochverarbeiteten Produkt herausschmecken können, ob das Huhn ein Bio-Huhn war?

Und falls hier bewiesen werden sollte, dass Bio gar nicht objektiv besser schmeckt, kann ich nur sagen: Was spielt das für eine Rolle? Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich darüber schon mal ausführlicher geschrieben; hier nur die Kurzzusammenfassung: Die Geschmacksfrage halte ich beim Thema Bio für keineswegs entscheidend. Entscheidend ist, dass Bio besser für Umwelt, Tiere, Nachhaltigkeit ist, und daran glaube ich. Außerdem gibt es nachgewiesenermaßen so etwas wie gefühlten Geschmack (health halo effect), und der kann einem eben besonderen Genuss vorgaukeln, wenn man etwas isst, das man für Bio hält.

Also, kein Grund für hämisches Lachen, lieber Stern, liebe „Lifehunter“! Dieses Experiment beweist genau – gar nichts.

4 Gedanken zu “Ein „Food-Experiment“ – und was es beweist

  1. Stefanie

    Da hat „Lifehunter“ ja einen hochwissenschaftlichen Ansatz verfolgt ;-) Und das der Sterns auf den Zug aufspringt, sagt einiges über die Qualität des Magazins aus. Solche Berichte lösen bei mir immer großes Kopfschütteln aus. Sie fallen in die selbe Sparte wie die (schockierten) Berichte, das Bio-Möhren oder -Äpfel gar nicht mehr Vitamine als konventionelle Ware enthalten.
    Da unterschreibe ich doch lieber bei dir, denn ich sehe das genauso: Bio ist grundsätzlich gut für Umwelt, Nachhaltigkeit und hoffentlich auch für das Tierwohl. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass der Nachhaltigkeitsgedanke in Bereichen verloren gegangen ist und auch bei Bio kritisches Hinterfragen angesagt ist.
    Denn etwa an der Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit von in Ägypten produzierten Kartoffeln wage ich zu zweifeln. Die Kartoffel ist ein durstiges Gewächs und wird in der Wüste mit knappen Trinkwasservorräten bewässert. Wenn ich es richtig im Kopf habe, braucht es mehr als 400l Wasser pro Kilo Kartoffel. Das ist weder ökologisch sinnvoll noch schmecken diese Kartoffeln besonders gut. Da kaufe ich lieber Biokartoffeln aus Deutschland, und wenn es die nicht gibt, greife ich auch zu den konventionellen Knollen vom Bauern um die Ecke.

  2. Tring

    Vielen Dank für diesen Artikel! Über die Grundannahme man müsse alleine deshalb Bio kaufen, weil es besser schmeckt (und deren Widerlegung) stolpert man immer wieder auch bei eigentlich seriösen Fernsehsendern wie dem ZDF etc., die in diversen Food-Test u.a. den Geschmack mit beurteilen lassen (wogegen ja erstmal nichts zu sagen ist, wenn dahinter nicht die falsche Grundannahme stecken würde). Leute sind dann oft völlig überrascht, dass bspw. Tiefkühlgemüse einen höheren Vitamingehalt hat als das aus der Bio-Kiste. Was ja aber nicht verwunderlich ist, wenn das TK Gemüse (auch wenn es nicht bio ist) direkt nach der Ernte gefrostet wird.
    Ich sehe das ganz ähnlich wie du – Bio kaufe ich vor allem wegen der Nachhaltigkeit bzw. den besseren Zuchtbedingungen für die Tiere. Manchmal (aber eben nicht immer) schmeckt es dazu auch besser als das Gemüse aus dem Supermarkt. Was aber eher daran liegt, das ich in meiner Biokiste oft alte Sorten finde oder bspw. kleine Äpfel, die ich sehr gerne esse, die aber in einem normalen Supermarkt durchs Raster fallen würden.
    Ob ich aber ein Nugget von McDonalds von einem Bio Nugget unterscheiden könnte weiß ich nicht. Beides sind verarbeitete Produkte und wie du schon schreibst verwendet die Lebensmittelindustrie Heerscharen von Leute darauf, normales Fleisch zu imitieren. Ich möchte aber zusammengeklebte Fleischreste aus Massentierhaltung einfach nicht essen – auch wenn sie vielleicht auf den ersten Bissen recht ähnlich schmecken! Andererseits ist – wie meine Vorkommentatorin schon geschrieben hat – ein völlig unreflektierter Gebrauch von Bio sicherlich auch nicht angebracht, alleine schon deshalb weil es auch innerhalb der als Bio betitelten Lebensmittel noch große Unterschiede gibt, bspw. zwischen denen mit normalem Biosiegel aus dem Supermarkt und Bioland oder Demeter zertifizierten Produkten. Von dem Thema Lokalität ganz zu schweigen… Ein reflektierterer Umgang mit dem Thema in den Medien wäre also sicherlich wünschenswert!
    Liebe Grüße, Tring

  3. Sabine Schlimm Artikel Autor

    Ich hab mir übrigens auch gedacht, dass ich mir ganz schön betrogen vorkäme, wenn das Fleisch, das ich mir arglos im Bio-Glauben in den Mund stecke, sich dann als Billigstqualfleisch rausstellen würde! Und oft bin ich froh, dass ich keinen Fernseher habe und nicht ständig mit so einem Quatsch konfrontiert bin.

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