Braun ist irgendwie mehr Bio? Die Lösung eines Zuckerrätsels
Zucker bekommt ja viel Presse. Schlechte Presse, zugegeben. Jetzt zur Fastenzeit reden sowieso alle drüber, aber Zuckerfrei-Challenges und Clean Eating sorgen schon dafür, dass das Thema auch den Rest des Jahres Konjunktur hat. Und während die einen von ganz neuen Geschmackserlebnissen und „natürlicher Süße“ schwärmen, reagieren die anderen auf die bloße Erwähnung von Datteln und Kokosblütenzucker inzwischen ziemlich genervt (wunderbar bissig zum Beispiel Frau Mutter im Blog Schnickeldi).
Nur über eine Frage im Zusammenhang mit Zucker lese ich nie etwas, und dabei treibt sie mich seit Jahren immer um, wenn ich im Bioladen vor dem Zuckerregal stehe: Warum gibt es da eigentlich so gut wie ausschließlich von weither importierten Rohrzucker und keinen Bio-Rübenzucker?
Wo ist der Rübenzucker?
Ich komme vom Niederrhein. Zu meiner Kindheit gehörten weite Rübenfelder und im Herbst die Trecker, die mit hochbeladenen Anhängern voller Zuckerrüben über die Straßen zuckelten, während sich hinter ihnen die Autos stauten. Manchmal fanden wir auf einem Feldweg eine runtergefallene, aufgeplatzte Rübe, und natürlich probierten wir, ob sie wirklich süß schmeckte (tat sie, aber nicht genug, um genüsslich Rübenschnitzel zu knabbern). Zucker, das war für mich Rübenzucker. Selbstverständlich.
Bis ich als Erwachsene anfing, regelmäßig in Bioläden einzukaufen. Denn seitdem sehe ich quasi nur noch Rohrzucker. Wenn mal ein Päckchen Bio-Rübenzucker im Regal steht, dann ist es halb so groß und doppelt so teuer. Aber das scheint irgendwie normal zu sein. Die bloße Erwähnung von Kokosblütenzucker löst in meinem Umfeld on- und offline ziemlich zuverlässig Aufregung aus: Schnickschnack sei das, ein überflüssiges Unsinnprodukt, und dann die Ökobilanz! Erstaunlicherweise habe ich noch nie mitbekommen, dass über die Ökobilanz von Rohrzucker diskutiert wird.
Weil mich schon lange interessiert, warum das so ist, habe ich schon vor zwei Jahren (mit der Idee zu einem Blogartikel im Hinterkopf) bei Alnatura angefragt, warum das so ist:
Im Bio-Bereich wird fast nur Rohrzucker angeboten; auch die Produkte der Alnatura-Eigenmarke gehören dazu – und das, obwohl Zuckerrohr im Gegensatz zu Zuckerrüben nicht regional angebaut werden kann. Bestimmt gibt es dafür einen Grund. Könnten Sie mir dazu etwas sagen?
Die Antwort kam prompt:
Wir hatten vor einiger Zeit einen Rübenzucker aus deutschen Rüben im Alnatura Sortiment. Leider war die Nachfrage bei unseren Kundinnen und Kunden so gering, dass wir ihn wieder aus dem Sortiment nehmen mussten. Ganz generell ist der Vorteil von Rohrzucker gegenüber Rübenzucker, dass Rohrzucker deutlich geringer verarbeitet ist. Dies entspricht unserem Anspruch, dass unsere Produkte möglichst wenig verarbeitet sein sollen. Unraffinierter Rübenzucker hat außerdem einen unangenehmen Beigeschmack und wird daher mehrfach gewaschen (vollraffiniert).
Stefanie Neumann, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Alnatura
Befriedigt hat mich das nur so halb. Das mit dem geringeren Verarbeitungsgrad … hmm, für die vielen Convenience-Produkte in den Bioladenregalen scheint dieses Argument jedenfalls nicht zu gelten. Und die Frage, warum denn nun eigentlich – trotz des Hypes um regionale Produkte – die Verbraucherinnen und Verbraucher lieber zum Zucker aus Übersee greifen, die war für mich damit auch nicht beantwortet.
Warum es Bio-Rübenzucker schwer hat
Bis ich mich dieses Jahr auf der Biofach, der Messe für Bio-Lebensmittel in Nürnberg, am Stand von Rebio wiederfand, vor mir päckchenweise Bio-Zucker aus süddeutschen Zuckerrüben. Da fiel mir meine alte Frage wieder ein, und ich stellte sie Gerd Nehk: Warum gibt es eigentlich so selten Bio-Rübenzucker zu kaufen?
Er zuckte die Schultern und antwortete:
Für die Leute ist brauner Zucker eher ein Bio-Produkt. Und sie glauben, er ist gesünder.
So einfach also. Braun = Bio. Ich fühlte mich sofort an eine Diskussion erinnert, die ich vor einiger Zeit auf Facebook verfolgt hatte. Dort ging es um Eier – und als „Beweis“ dafür, dass sie angeblich Bio waren, musste die Farbe herhalten. „Braune Eier sind Bio.“ (Nein, sind sie nicht; die Schalenfarbe ist eine Frage der Hühnerrasse. Und braune Eier sind auch nicht gesünder als weiße.)
Deshalb noch mal deutlich: Bio-Zucker ist nicht automatisch braun. Und brauner Zucker ist nicht automatisch „mehr Bio“ und gesünder.
Brauner vs. weißer Zucker
Warum gibt es überhaupt weißen und braunen Zucker? Bei der Zuckerherstellung wird aus dem Zuckerrohr oder Zuckerrübe zunächst Saft gepresst, der zu Sirup eingekocht wird. Durch Kristallisation bildet sich darin der Zucker. Der ist braun, und zwar in beiden Fällen, weil in diesem ersten Rohprodukt noch alle möglichen Verunreinigungen enthalten sind. Wird dieser rohe Zucker so lange gewaschen und getrocknet, bis die Kristalle weiß sind, bekommt man raffinierten Zucker. Das alles gilt für Rohr- und Rübenzucker gleichermaßen, und auch das Endergebnis ist in beiden Fällen chemisch identisch: Saccharose, Kristallzucker.
Brauner Zucker kann nun Rohrzucker sein, der nicht (Vollrohrzucker, auch Muscovado) oder nicht komplett (Rohrohrzucker) raffiniert ist und daher noch einige Mineralien und Aromastoffe enthält. Oder es ist raffinierter Zucker, der nachträglich mit Sirup gefärbt wird. Das wird sowohl bei Rohr- als auch bei Rübenzucker gemacht, weil sich brauner Zucker eben gut verkauft. Was es im Fall von Rübenzucker allerdings nicht gibt: braunen Zucker, der einfach weniger raffiniert ist. Das liegt daran, dass Melasse (also Zuckersirup) aus Rüben anders als die aus Zuckerrohr wohl einen ziemlich unangenehmen Eigengeschmack hat. Rübenzucker wird daher immer vollständig raffiniert.
Für braunen Zucker (egal welchen), den man kaufen kann, gilt: Er schmeckt karamelliger als weißer, was beim Kochen und Backen manchmal für großartige Aromen sorgt – die an anderen Stellen aber auch mal stören können. Wie gesagt: Toll, dass es ihn gibt. Aber gesünder ist er nicht. Jaja, die vielgepriesenen Mineralien und Vitamine … Ehrlich: Der Anteil ist verhältnismäßig gering, und man müsste schon sehr viel Zucker essen, um nennenswerte Mengen aufzunehmen.
Rübenzucker vs. Rohrzucker
Fällt also das Argument „braun ist natürlicher und gesünder“ weg, dann müsste der Rübenzucker eigentlich das Lieblingsprodukt aller Nachhaltigkeitsfans sein: Zuckerrüben wachsen hier bei uns und werden oft sogar regional verarbeitet. Und auch das Endprodukt braucht keine langen Transportwege.
Zu den Hauptanbauländern von Zuckerrohr gehören dagegen Brasilien, Indien, Indonesien und Kolumbien. Nicht nur, dass Rohrzucker also von weither mit Schiffen und Lkw herangekarrt werden muss: In vielen dieser Länder werden Landarbeiter*innen mit Niedrigstlöhnen abgespeist, es gibt Kinderarbeit, Landgrabbing ist ein Problem, und der Anbau verbraucht wertvolles Trinkwasser. Dass Rohrzucker bei uns so billig ist, hat eben auch damit zu tun, dass die wahren Produktionskosten von der Bevölkerung in den Anbauländern getragen werden.
Konventioneller vs. Bio-Rübenzucker
Und warum ist jetzt Bio-Rübenzucker eigentlich so teuer? Auch das erklärt mir Gerd Nehk auf der Biofach.
Rund sechzig Prozent der Anbaukosten unserer Bioland-Zuckerrüben entstehen durch die Arbeit mit der Handhacke.
Handhacke? Tja. Im konventionellen Rübenanbau geht man mit der Spritze gegen Unkraut vor. Im Bio-Anbau ist das verboten, und deshalb muss das Unkraut durch Handarbeit im Zaum gehalten werden, damit die Rüben genügend Platz und Licht und Nährstoffe zum Wachsen haben. Ähnliches gilt natürlich auch für den Zuckerrohranbau, aber in den produzierenden Ländern fallen die Lohnkosten eben nicht so ins Gewicht.
Übrigens wird Rübenzucker auch im Bio-Bereich durchaus in größeren Mengen produziert, als man glauben könnte. Aber er wird gerne gleich in Großmengen von Lebensmittelproduzenten abgenommen. Im Joghurt macht sich weißer Zucker einfach besser als brauner. Gute Kundschaft finden die Rübenzuckerfabriken auch unter den Imker*innen, die damit ihre Bienen über den Winter bringen. Die vertragen nämlich wegen des Melassegehalts keinen Rohrzucker.
Und ich? Mag durchaus Rohrzucker, doch, doch. Gerade der dunkle, krümelige Muscovado kommt bei mir gerne zum Einsatz, wenn sein intensiver Eigengeschmack passt. Ich kaufe dann den fair gehandelten und hoffe, dass dadurch die Menschen, die ihn produzieren, auch einen gerechten Lohn bekommen. Ansonsten freue ich mich, dass ich auf der Biofach an einigen Stellen Hinweise auf Rübenzucker gesehen habe; auch der Verband Bioland hatte das Zuckerthema hervorgehoben. Vielleicht profitiert der Rübenzucker ja doch noch vom Regional-Trend, wird stärker nachgefragt und mehr produziert. Dann gibt es ihn bald womöglich öfter auch im Bio-Regal. Mich würde das freuen.
PS: Weitere Eindrücke von der Biofach findet Ihr jetzt auch in meinem nagelneuen Zweitblog Teepause. Biofach 2018: Lifestyle, Liebe, Landwirtschaft
- Einfach, aber wirkungsvoll: Marinierte Orangen
- Das hat der Eiersalat nicht verdient! Eine Rettungsaktion
Daaaaanke, dass Du das so prima in Worte gefasst hast! <3
Ich kopiere hier einfach mal eben den Text rein, den ich gerade auf facebook über den Teilen-Link zu diesem Artikel geschrieben habe:
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Kokosblütenzucker, Agavendicksaft, Ursüße, bla, bla, bla … mag ja sein, dass das alles minimal "gesünder" ist als weißer Raffinadezucker aus Zuckerrüben. Aber all das wird halt alles einmal um die halbe Welt geflogen, und so etwas möchte ich nicht unterstützen. Ich kaufe ja auch keine Äpfel aus Chile.
Deshalb habe ich für uns entschieden, dass ich von jeglichen braunen Pseudeogesund-Zuckern zurück auf bösen weißen Rübenzucker umsteige, der auch auf deutschen Äckern wächst. Es gibt hier sogar Unser-Land-Zucker, aber der ist mir mit 3,50€ für ein halbes (!) Kilo dann doch zu teuer, so viel, wie Töchterchen Liebreiz ständig backt. ;-)
Tipp: Wenn es flüssige Süße sein muss, tut es z.B. Apfelsüße wunderbar. Es muss absolut kein Agavendicksaft von sonstwo sein.
Ja okay, den braunen Rohrzucker für Mojito werde ich wohl dennoch kaufen. Aber da reicht mir ein halbes Kilo halt auch zwei Jahre.
Und jaaaa, okay, Ahornsirup. Ohne den schmeckt mir einfach kein Pancake. Aber damit muss dann genug der Fremdsüße sein! :-D
Daaaanke Dir fürs Teilen! Und für den Einblick in Deine Zuckerdose. :-) Ich finde ja, man darf den Mojito trotzdem genießen, und die Pancakes natürlich sowieso. Mir geht es ja auch gar nicht darum, importierte Lebensmittel komplett zu verteufeln – da hätte ich mich meiner Vorliebe für Asia-Küche verdammt schlechte Karten … Aber wenn es ein absolut vergleichbares Produkt einmal in exotisch und einmal in regional gibt, dann ist Letzteres bestimmt eine gute Wahl. Insofern: Daumen hoch und weiterbacken (lassen). :-)
Warum soll die Melasse vom Rübenzucker unangenehm schmecken?
Wir essen doch auch Zuckerrübensirup…und da müßten doch noch alle Melasse drin sein.
Das habe ich mich auch gefragt, aber der Zuckerrübensirup ist keine Zuckervorstufe, sondern wird anders produziert. Und das mit der unangenehm schmeckenden Rübenmelasse kam übereinstimmend aus mehreren Quellen. Überprüfen konnte ich es bisher nicht.
Geht in den Kuhstall und probiert die Futtermelasse – schmeckt nicht wirklich gut. Das ist die „Abfall“-Melasse, also nicht weiter verarbeitet.
sehr interessant, dass hier d und ö so weit auseinander sind. in ö gibt es seit 2006 (oder 2005, bin nicht ganz sicher) österreichischen bio-rübenzucker. und zwar überall im supermarkt. es ist der einzige, den ich kaufe. fast genauso lang gibt es einen bio-gelierzucker 2:1 aus rübenzucker und apfelpektin (und sonst nichts). seit wenigen jahren gibt es auch bio-staubzucker (d: puderzucker) aus ö zuckerrüben. und es gab sogar eine zeit lang einen teil-raffinierten bio-rübenzucker, der aber – genau, wegen des eigenartigen geruchs/geschmacks – wieder vom markt genommen wurde.
ich habe 2009 und 2010 für mehrere magazine große reportagen zu dem thema geschrieben, und habe mir dafür die bio-rübenzuckerproduktion vom feld über die verarbeitung bis ins packerl jeweils vor ort angesehen.
eine meiner geschichten dazu ist online (und zwar jene für biorama), hier der link (dort das pdf öffnen):
https://www.esskultur.at/des-zuckers-weisse-weste/
Super, vielen Dank für Ergänzung und Link! Ja, die konventionellen Zuckerhersteller haben inzwischen auch Bio-Produkte auf dem Markt, die man in normalen Supermärkten findet. Aber in den Bioläden steht immer noch ganz selten Rübenzucker. Der einzige, den ich jemals gesehen habe, ist der von Naturata.
Hallo Sabine,
bei dem Thema sprichts du mir aus der Seele.
Ich ärgere mich schon seit längerer Zeit, dass die eigentlich von mir geschätzten Bio Molkereien wie Schrozberger-Milchbauern und auch Soebecke in ihren Fruchtjoghur Rohrzucker einsetzen.
Da ausreichend Bio Rübenzucker aus Deutschland verfügbar ist, schließe ich daraus, dass es hier rein um die Gewinnmaximierung der Molkereien geht. Beide Molkereien habe ich dazu angeschrieben und beide male keine Antwort bekommen. Das sagt schon einiges.
Positive Ausnahme ist die Andechser-Molkerei. Die verwendet Bio Rübenzucker.
Ich habe für mich beschlossen weniger zu meckern, sondern mit meiner Kaufentscheidung jetzt nur noch 100% Andechser Produkte zu kaufen. Wenn viele Kunden mit ihrer Kaufentscheidung die regionalen, nachhaltigen Unternehmen bevorzugen, dann wird sich die Situation ändern.
Übrigens bekommen in unserer Bioland Imkerei unsere Bienen ausschließlich Bioland Rübenzucker. Dies schon seit Verfügbarkeit vor 4 Jahren, aus Überzeugung und trotz der höheren Kosten.
Es grüßt dich
der Imker Markus
von der Bioland Imkerei „Honig-Manufaktur Spatzenhof“
Stimmt, es ist eine gute Idee, auch mal kritisch auf die Zutatenlisten zu gucken. Weil ich bloß Naturjoghurt kaufe, vergesse ich das immer. Danke für die Ergänzung und Deine Erfahrungen!
Wow, liebe Sabine, ein toller Artikel! Das mit dem unangenehmen Geschmack der Melasse hatte mich auch gewundert. Da muss ich wohl nochmal recherchieren, wie sich der Zuckerrübensirup davon unterscheidet, der einen festen Platz auf unserem Frühstückstisch hat. Obwohl – den finden ja manche Menschen auch eher sonderbar als lecker. Ich liebe den „Goldsaft“ 😋
Oh, vielen Dank! Ja, Rübensirup (hieß bei uns früher Rübenkraut oder Bimbes) ist toll. Am besten auf Speckpfannkuchen. :-)
Ehrlich gesagt hab ich mir darüber noch nie Gedanken gemacht… ob ich ohne braunen Zucker auskäme? Ich weiß es nicht, der gibt etlichen Sachen doch einen guten Crunch. Aber gegenüber Bio-Läden bin ich sowieso skeptisch eingestellt, mit meinen Vorstellungen von Nachhaltigkeit, durch etliche Jahrzehnte Landlebens geprägt, kann ich das Angebot an weitgereisten Lebensmitteln dort kaum in Einklang bringen. Lieber hol ich mir mein Zeug regional und saisonal direkt beim Erzeuger…..
Ich finde ja auch gar nicht, dass man ohne auskommen muss. Wo er geschmacklich Sinn macht – jederzeit! Einkaufsmöglichkeiten bei Erzeugern sind natürlich toll, aber ich muss zur Ehrenrettung des Bioladens sagen, dass es da eigentlich nicht um jeden Preis exotisch zugeht. Im Gegenteil, sehr, sehr viele Biofirmen und auch -läden bemühen sich wirklich, das große Ganze im Blick zu haben. Bloß: Wenn wir Verbraucherinnen und Kunden eben die eigentlich vernünftigen Sachen nicht kaufen, sondern unbedingt Chiasamen und Kokosblütenzucker haben wollen? Der Handel muss schließlich auch leben. Da erzähl ich Dir ja nix Neues. :-)
Liebe Sabine, prima Artikel. Und ich oute mich jetzt hier mal als in der Regel Käuferin von weißem, konventionellen Rübenzucker, aber immerhin aus regionaler Erzeugung. Seit ich in Bonn studiert habe und hier hängen geblieben bin, gehören die Rüben-Trecker, die mit Beginn des Wintersemesters manchmal mitten durch die Stadt rollten, zum gewohnten Bild … Und da wir nicht soooo viel Zucker konsumieren, kann ich damit guten Gewissens leben. Braunen Muscovado habe ich aber für bestimmte Rezepte auch im Schrank. Und natürlich Honig aus dem Kottenforst von einer imkernden Freundin. ;-)
Danke schön! Mir ging es auch gar nicht darum, irgendeinen Zucker zu verteufeln und zu sagen, den darf man nicht. Sondern einfach mal zu gucken, was hier eigentlich was ist und wie es kommt, dass im konventionellen Supermarkt überall ein regionales Produkt steht, im Bioladen dagegen eins aus Übersee. :-)
Unser Betrieb ist ein moderner und vielseitiger Bioland-Betrieb am Rande der wunderschönen Warburger Börde.
Auch wenn sich der Betrieb stets veränderte, eine Konstante blieb, die Zuckerrübe. Schon seit über 100 Jahren gehört der Anbau der Zuckerrübe zum Familienbetrieb.
Noch vor zehn Jahren gab es keinen Absatz für Bio-Rübenzucker und auch biologisch angebaute Zuckerrüben wurden gemeinsam mit den konventionellen verarbeitet.
Mein Schwiegervater Josef Jacobi setzte sich bei der Zuckerfabrik in Warburg für den Bio-Rübenzucker ein und seit 2009 verarbeitet diese nun als Einzige in Deutschland Bio-Zuckerrüben aus ganz Deutschland.
Der größte Teil dieses Zuckers landet bei Unternehmen die Bio-Lebensmittel wie Backwaren, Fertiggerichte oder Getränke produzieren.
Kurioserweise gibt es in jedem Bioladen ein großes Sortiment an Rohrzucker aber oftmals nicht einen Bio-Rübenzucker aus Deutschland.
Den Rübenzucker aus der heimischen Landwirtschaft nach vorne zu bringen ist eine Herzensangelegenheit von mir.
Denn wer braucht schon Zucker, der tausende Kilometer nach Deutschland verschifft wird, wenn unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern den besten Zucker selbst anbauen?
Die Zuckerrübe ist ein natürlicher Zuckerlieferant, der in Deutschland angebaut und auf kurzem Wege verarbeitet wird.
Der Anbau in der ökologischen Landwirtschaft ist sehr aufwendig. Noch heute muss das Unkraut zwischen den Pflanzen in Handarbeit entfernt werden, daher steckt in jeder Tüte Zucker viel Arbeitskraft von Bäuerinnen und Bauern aus ihrer Region.
Ich bin dankbar für deinen tollen Bericht!
Liebe Grüße, Katharina
Oh, vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht sozusagen aus dem Herzen der Landwirtschaft! Sehr spannend.
Hallo,
dass die Zuckerfabrik in Warbug als einzige Zuckerfabrik in Deutschland Bio-Rübenzucker herstellt und anbietet ist so falsch.
Seit 2017 tut dies auch die Nordzucker AG aus Braunschweig mit hoher Begeisterung der Öko-Betriebe in Nord- und Mitteldeutschland.
Norddeutschen Bio-Zucker wird nicht nur an die Lebensmittelindustrie vermarktet, sondern ist auch im 1 kg-Paket in Kürze erhältlich.
Ihr Artikel ist absolut lobenswert für die Herstellung von regionalen Produkten.
Tolle Arbeit!
Vielen Dank für die Richtigstellung und Ergänzung!
vielen dank für den ausführlichen bericht. ich bin diabetikerin typ 2, da ist das thema zucker wichtig. ich verzichte auf künstliche zuckeraromen. halbiere die zuckerangaben um mindestens die hälfte. aber es gibt halt gerichte, die schmecken ohne zucker in der angegebenen menge einfach nicht. in diesem falle benutze ich kokosblütenzucker. aaaber der preis. ich suche noch eine alternative.
Bei einer Krankheit wie Diabetes gelten natürlich beim Einkauf noch mal ganz andere Entscheidungskriterien. Vielen Dank für den Kommentar und die Erinnerung daran!
Zuckersüßer Beitrag! Der braune Zucker blieb in meiner Küche hängen – für Mojito und Tee – er schmeckt einfach rund und gut, fast wie Kandis. Ich verbrauche eh so wenig offenen Zucker, dass der Mehrpreis aufs Jahr gerechnet unerheblich ist. Regionaler deutscher Zucker ist natürlich zu bevorzugen.
Wenn ich mich recht erinnere, kam der braune Zucker in den 1980ern mit den Weltläden (damals noch ganz unkorrekt „Dritte-Welt-Läden“) mit den Fairtrade-Siegeln auf. Oder sollten damals kubanische oder nicaraguanische Zuckerrohrbauern unterstützt werden? Ich weiß es nicht mehr genau. Für die Nachkriegsgeneration galt der braune Zucker damals als billig und minderwertig – genauso übrigens wie braune Eier! Es ist also wohl eher eine Food-Mode ;)
Aus meiner Kindheit kenne ich braunen (Rüben-)Zucker im Grunde nur für die Weihnachtsbäckerei. Stimmt, und das mit den Weltläden hab ich auch noch vage im Hinterkopf. Dafür fällt mir gerade auf, dass es damals Zucker noch ganz viel in einer inzwischen fast ausgestorbenen Erscheinungsform gab: Würfelzucker. :-)
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Ist stehe vor dem selben Problem. Ich finde einfach keinen Verkäufer von Bio-Rübenzucker. Des Preises wegen würde ich auch direkt eine größere Menge kaufen (z.B. 10 kg). Schade, dass die Bauern oder Verbände den Zucker nicht online anbieten. So wären sie auch unabhängig vom Bioladensortiment.
Wow, da hast Du ein tolles Thema aufgegriffen!! Ich persönlich fand den braunen Rohrzucker noch nie „besser“. Meine Mama hatte in ihrem kleinen Bioladensortiment aber tatsächlich auch weißen Bio Rübenzucker, leider weiß ich jetzt die Marke nicht mehr. Meiner Meinung nach ist gibt es auch keine guten oder schlechten Zucker.. es kommt immer auf die Dosis an! Liebe Grüße Verena
Oh – wie nett, von dir zu hören! Danke für deine Kommentar, und ja, ich sehe es wie du: Fast alles ist eine Frage der Dosis.
Toller Artikel! Ich kenne mich echt gut mit Bio & Co. aus, aber auf die Idee, Bio-Rübenzucker zu kaufen, bin ich noch nicht gekommen. Bis ich gestern auf der Südzucker-Seite gelandet bin, als ich nach regionalem Zucker geschaut habe. So eingebrannt ist, daß Bio = Rohrzucker ist, daß ich niemals gedacht hätte, daß es den auch in Bio-Qualität gibt.
Nun – dann schaue ich auf die Preise und frage mich, ob ich mir nicht einen 25kg-Sack Bienenzucker kaufe. :D Denn fast 10x so viel für 1 kg Zucker zu bezahlen wie für Nicht-Bio… . Vielleicht sollte Alnatura mal mehr Werbung machen – dann kauft den Zucker vielleicht auch wer.
Ach ja und für weniger Fertigfraß in Bio-Läden bin ich auch. :D
Oh, das mit dem „braun = bio oder besser“ habe ich auch schon erlebt. Ich war in einem Supermarkt, da meinte eine Frau ernsthaft zu ihrem Mann, er solle doch bitte braune Eier kaufen – das wären Eier von glücklichen Hühnern. Aha. Gut zu wissen. Kurze Info dazu: sie standen vor dem Regal mit den Eiern aus Bodenhaltung. Ich war so perplex, dass ich dazu nichtmal was sagen konnte.
Wow, das ist wirklich der Hammer!
super, wieder was dazu gelernt. ich würd gern regionalen Rübenzucker kaufen, aber du schreibst ja das dieser immer raffiniert ist, und damit hab ich eben mein Problem. Unraffiniert würd ich ihn kaufen – raffiniert nicht, da durch die zugefügten Stoffe im Raffinationsprozess mein Kind krank wird. Da bleib ich bei Honig oder Xylit.
Hallo,
es hat Spaß gemacht die Beiträge zu lesen. Danke!
Wir fragen uns aber, wenn unser Rübenzucker so oft raffiniert werden muss, was ja mit „waschen“ zu tun hat um den unangenehmen Melassegeschmack raus zu bekommen, ob dann überhaut noch Einflüsse von konventionellen Spritzmitteln im fertigen Zucker zu finden sind und wenn ja wie viele? Oder in unserem Rübensirup den wir gestern gerade aus frischen normalen Zuckerrüben (die beim Abtransport auf dem Feld wohl vergessen wurden) gewonnen haben und der phantastisch schmeckt?
Bei unserem „Biohonig“ werden auch immer mal ein paar Bienen konventionelle Felder angeflogen haben…
Egal ob beim Zucker, Rübensirup oder Honig, da wir diese nur sehr begrenzt zu uns nehmen, würde jede nicht gewünschte Kontamination ja noch wesentlich weniger eine Rolle spielen wie bei den Grundnahrungsmitteln, die wir ja auf das Jahr gerechnet quasi Schubkarrenweise zu uns nehmen.
Vielleicht sind wir aber auch zu tolerant um uns immer gleich zu sorgen.
Mit sonnigen Grüßen aus der Schlagmühle bei Bad Arolsen
Familie Beate und Hartwig Decker
Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar! Nein, es geht mir dabei nicht um Sorgen um die eigene Gesundheit: Es wäre zwar sicher besser, gar keine Pestizidreste in Nahrungsmitteln zu sich zu nehmen, aber die Grenzwerte dürften in Deutschland so festgelegt sein, dass man von konventionellen Produkten nicht gleich krank wird. Das ist nicht der Grund, weshalb ich Bio kaufen. Ich kaufe Bio, weil ich eine Landwirtschaft fördern möchte, die nachhaltig ist, die Böden und Biodiversität erhält, die sich nicht auf energieintensiv hergestellte Dünge- und Spritzmittel verlässt, die sich in der Natur anreichern und auf Dauer mehr kaputt machen, als sie sollen. Das ist der Grund. Und deshalb gehe ich solchen Fragen wie der nach dem Zucker nach.
Ich stehe auch vor dem Problem keinen Bio-Rübenzucker zu finden. Ich brauche sehr wenig Zucker. Das letzte Kilo hat drei Jahre gehalten. Ich brauche den praktisch nur für Kuchen und Pudding. Da ich Rohrzucker einfach nicht mag und Zucker auch einfach als Zucker ansehe und nicht als Mineralstoffquelle, darf es da auch böse böse raffinierter sein. Ich bin da sonst echt empfindlich, weil ich eine CED habe. Ich habe jetzt aufgegeben und ein Paket konventionellen Zucker gekauft. Ich will mich nicht jahrelang über den Rohrzuckergeschmack ärgern. Und ich finde es halt auch einfach schwachsinnig Zucker zu importieren, wenn er hier in hervorragender Qualität wächst. Das widerstrebt mir einfach.
Ich hoffe der regional-Trend hilft da noch
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Diese Frage hat mich auch schon ewig beschäftigt. Danke fürs Beleuchten dieses Themas. Ich habe ein großes Problem mit der Vorstellung, Zucker aus Übersee dem heimischen Produkt vorzuziehen. Werde demnächst mal nach dem Bio-Nordzucker schauen.
Hallo Herr Decker,
„Spritzmittel“ können in keiner Art Zucker nachgewiesen werden. Zucker, ob Saccharose, Glucose o.ä. sind definierte Strukturformeln. Selber im konventionellen Zucker können Sie keine Pflanzenschutzmittel nachweisen.
Ob konventionelle oder ökologische Zuckerrübe, sie schmecken am Feldrand beide lecker!
Der Biozucker der Nordzucker ist übrigens in weiten Teilen des Nordens bei u.a. Edeka und Rewe verfürbar. Sogar als Gelierzucker in verschiedenen Mischungsverhältnissen.
Rohrübenzucker selber machen …
Vielen Dank für den Artikel – ähnliche Fragen habe ich mir auch oft gestellt.
Ich bin im Rheinland aufgewachsen: die Rübenberge im Herbst stapelten sich auch bei uns im Herbst im Ort. Manchmal haben wir Martinslaternen daraus geschnitzt – ähnlich wie Helloweenkürbisse nur kleiner. Beim Schnitzen haben wir auch die Schnitzen gekaut: der Saft war süß, die Struktur grob. Bei Zuckerrohr ist das vergleichbar
Vor ein paar Jahren habe ich einfach mal eine Rübe durch einen einfachen Entsafter geschickt und anschliessend den nicht weiter gefilterten Saft eingekocht, so lange bis kein Wasser mehr im Topf war: Tatsächlich war ich überracht als plötzlich das letzte Wasser mit einem Zisch verdampfte und die groben, braunen Kristalle im Topf übrig blieben. Der so gebastelte Vollrübenzucker war herber als weisser Zucker , aber wird das nicht auch bei Rohrohrzucker und Vollrohrzucker geschätzt? Dass es ein unangenehmer Geschmack gewesen ist kann ich nicht sagen.
Möglicherweise hatte ich auch Glück mit der Rübensorte .
Rapsöl z.B. galt auch lange als ungeniessbar – bis es ab den 1960er Jahren gelang durch Züchtung die Bitterstoffe und Erucaäuren zu minimieren. Warum sollte es bei Zuckerrüben nicht möglich sein unangenehme Aromen zu reduzieren?
… Hmmm, zum Thema Zuchtziele bei Rüben findet sich viel im Netz: der Fokus liegt auf Resistenz und Effizienz: https://www.strube.net/produkte/zuckerruebe oder https://www.agrarheute.com/pflanze/zuckerrueben/neuen-ruebensorten-542657
Warum nicht Geschmack?
Oh, vielen Dank für diesen Kommentar! Die Geschichte mit dem selbstgekochten Zucker ist ja spannend. Und mal sehen, vielleicht verändern sich die Zuchtziele bei den Rüben ja noch. Ich habe das Gefühl, dass Rübenzucker in den letzten zwei Jahren durchaus wieder in den Fokus gerückt ist.
Dankedankedanke – Ihr habt mit meinen jahrzehntealten Vorurteilen (z. B. brauner Zucker = besserer Zucker) aufgeräumt! Klar, brauner Rohrzucker schmeckt schon gut, aber der Transportweg ist doch ein hoher Preis dafür (und bio = fair ist auch nicht zwingend richtig). Auch war mir gar nicht bewusst, dass es noch so viel heimischen Zuckerrübenanbau gibt! Als Kind gab’s für mich überhaupt keinen Rohrzucker. Schade, dass ich das alles erst jetzt erfahre, aber besser spät als nie! :-)
Ich war gerade im Bioladen einkaufen und habe tatsächlich Bio Rübenzucker von Burgermühle gekauft. Mir war dunkel im Hinterkopf, dass ich mich auch vorher immer gewundert habe, warum es nur Rohrohrzucker als weißen Zucker in Bio gab. Dein Beitrag hat da echt viel Licht ins Dunkle gebracht! Preislich hat der sich gar nicht so groß von den Rohrzuckerprodukten unterschieden, daher werde ich den wohl jetzt immer kaufen (solange es ihn noch gibt ;) )
Spannend fand ich den Satz auf wikipedia bezüglich konventionellem Zuckers: „Rübenzuckerfabriken betreiben wegen des Energiebedarfs eigene Kraftwerke, insbesondere beim Einsatz von Braun- und Steinkohle tragen sie zum Klimawandel bei. Rohrzucker kann ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe, mit den Resten des Zuckerrohrs als Energiequelle, extrahiert werden. “
Bist du darauf währen deiner Recherche auch getroffen? Und wenn ja, kann man da Auskünfte zu den Bio-Zucker-Raffinierien treffen?
Tut mir leid: Darüber kann ich tatsächlich nichts sagen. Aber danke für die Anregung, da auch genauer hinzuschauen!
Danke für den Artikel.
Bzgl. Bio-Rübenzucker habe ich vor etwa zwei Jahren mal recherchiert und damals war’s so, dass es in Deutschland keine Raffinerie gab, die Bio-Rüben raffiniert hat, weil es wohl schwierig ist, dass Bio in der Raffinerie nicht mit konventionell in Kontakt kommt. Deshalb wurden deutsche Bio-Rüben in einer Bio-Raffinerie in der Schweiz raffiniert. Ob sich das inzwischen geändert hat, weiß ich leider nicht genau, aber nach dem Lesen der Kommentare scheint es wohl so zu sein.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der gegen konventionellen Rübenzucker spricht: es gibt einen Zuckerrüben-Schädling, der mit ’normalen‘ Pestiziden anscheinend nicht gut zu bekämpfen ist. Deshalb gibt es dafür eine Sondergenehmigung im Zuckerrübenanbau für den Einsatz von Neonicotinoiden. Womit wir wieder beim Thema Biodiversität sind. Wie das Problem im Bio-Anbau gelöst wird, weiß ich leider auch nicht. Vermutlich reduziert der Schädling die Erträge, was den hohen Preis erklären würde. Da sich unser Zucke-Konsum in Grenzen hält, ist es uns das wert.
Gerade habe ich diesbezüglich nochmal recherchiert und siehe da: es tut sich was!
https://www.agrarheute.com/pflanze/zuckerrueben/neonikotinoide-notfallzulassungen-fuer-ruebenbeizen-eu-weit-gestoppt-602652
Wer’s genauer wissen möchte: hier gibt es weiterführende Infos:
https://www.mellifera.de/blog/bienen-schuetzen/expertenworkshop-zuckerruebe.html