Bergische Kaffeetafel: „Koffeedrenken met allem Dröm un Draan“
[Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung, nämlich Verlinkungen.]
Einmal im Jahr bewichteln sich die bloggenden Mitglieder des Netzwerkes Texttreff gegenseitig mit Blogartikeln. Diesmal hat mich die Redakteurin, Autorin und Lektorin Christine Peter beschenkt. Sie selbst schreibt in ihrem Blog Vor den Toren über das Leben auf dem Land – genauer: über das Leben im Bergischen Land. Ich freue mich sehr, dass sie mir hier eine regionale Spezialität serviert, die ich noch aus meiner nordrhein-westfälischen Kindheit kenne! Danke, Christine.
Viele Köstlichkeiten stehen prototypisch für eine Region: Sauerbraten? Logisch, Rheinland. Brezn? Klare Sache: Bayern. Rostbratwürste? Natürlich Thüringen. Grünkohl mit Pinkel: Selbstredend Norddeutschland. Doch dann gibt es die kleinen, aber feinen Schmankerl, die nur Fans echter Regio-Kulinarik kennen. Zum Beispiel die Bergische Kaffeetafel.
Bergisches Land – wo war denn das noch gleich?
Dort, wo Köln nach Osten hin ins Grüne ausfranst und die Landschaft Anlauf für die Erhebungen des Sauerlands nimmt, liegt das Bergische Land. Im Norden umrahmt vom Städtedreieck Remscheid, Wuppertal, Solingen, im Süden begrenzt durch die Sieg. Dass das „Bergische“ tatsächlich auch reichlich bergig und hügelig ist, ist ein drolliger Zufall. Denn ihren Namen verdankt die Region dem historischen Herzogtum Berg mit seinen gleichnamigen Landesherren. Beliebt ist das Bergische Land heute vor allem als Ausflugs- und Wanderregion. Und obwohl es umrahmt ist von Ballungszentren, ist es erstaunlich ländlich geblieben. Ein Grund dafür mag die üppige Reliefstruktur sein, denn es ist im wahrsten Sinne des Wortes hügelig.
Süß und herzhaft mutig vermischt
Wer sich heute zum Wandern ins Bergische begibt und Rast macht in einem der zahlreichen Ausflugslokale, hat gute Chancen, eine waschechte Bergische Kaffeetafel genießen zu dürfen. Dabei ist es nahezu egal, zu welcher Tageszeit diese zu sich genommen wird, denn die Vielfalt der enthaltenen Speisen garantiert: Hier ist für jedes Gelüst etwas dabei. Klassischer und unverzichtbarer Bestandteil ein jeder Kaffeetafel ist ein Rosinenbrot, genannt Blatz, sowie ein möglichst dunkles Schwarzbrot à la Pumpernickel. Bestrichen wird dies mit Butter, Honig, wahlweise auch Rüben-, Apfel- oder Birnenkraut, und Milchreis (!) sowie einer guten Ladung Zimt und Zucker on top. Ebenfalls ein Muss sind selbstverständlich die Bergischen Waffeln mit heißen Kirschen und Sahne. Die Abteilung Herzhaftes enthält Blut- und Leberwurst, Schinken, mancherorts gekochte Eier oder Rührei. Dreh- und Angelpunkt jeder Kaffeetafel ist selbstverständlich der Kaffee, serviert in der sogenannten Dröppelminna, einer schweren bauchigen, metallenen Kaffeekanne mit Zapfhahn. Gegessen wird munter durcheinander, gerne auch über Stunden hinweg. Damit sich im Magen alles gut verträgt, steht am Ende (oder zwischendurch) ein Bergischer Korn parat.
Pötte auf den Tisch und genießen
Ihren Ursprung hat die Bergische Kaffeetafel im ausgehenden 19. Jahrhundert. Als frühindustrialisierte Region durchzogen mehrere Eisenbahnlinien das Bergische Land. Eisenbahnfahren galt als schick und modern, weswegen viele wohlhabende Bürger aus den umliegenden Städten sonntags Landpartien ins „Bergische“ unternahmen. Die gewitzte ländliche Bevölkerung ließ es sich nicht nehmen, den zahlungskräftigen Städtern ordentlich aufzutischen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn kurzerhand wurden Tische nach draußen getragen und üppig mit dem bestückt, was Haus und Hof zu bieten hatten. Noch heute heißt es bei der Kaffeetafel daher: Alle Pötte auf einen großen Tisch und jeder bedient sich nach Herzenslust. „Family Style“ nennt man sowas auf neudeutsch.
Im Dornröschenschlaf?
Als Tradition gepflegt und von den Tourismusverantwortlichen der Region fleißig angepriesen: Eine wirklich breite Nachfrage gibt es nach der Bergischen Kaffeetafel derzeit leider eher nicht. Dabei hätte sie ohne Frage das Zeug dazu. Die Gründe sind teilweise nachvollziehbar. Zum einen bieten Ausflugslokale die Kaffeetafel oft nur nach vorheriger Bestellung oder für eine Mindestanzahl an Gästen an. Zum anderen ist die Brauchtumspflege naturgegeben kein Metier mit sonderlicher Innovationslust. Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten. Warum nicht die klassische Kaffeetafel um neue, ebenfalls regionale Produkte ergänzen? Oder Städtern als Ausflugs-Package anbieten? Denkbar wäre durchaus auch eine Picknick-Version à la „Kaffeetafel to go“. Wer weiß, vielleicht erwacht die Kaffeetafel ja irgendwann aus ihrem Dornröschenschlaf und erreicht einen ungeahnten, ganz neuen Kultstatus. Sodenn: Findige Gastronomen voran!
Auf der Seite www.dasbergische.de findet ihr neben Ausflugstipps, Infos und Adressen rund ums Bergische Land auch eine Übersicht darüber, wo ihr euch zu einer echten Bergischen Kaffeetafel niederlassen könnt. Vielen Dank an die Naturarena Bergisches Land GmbH, die erlaubt hat, Fotos von der Bergischen Kaffeetafel für diesen Artikel zu verwenden.
- Das Jahr in diesem Blog: #foodblogbilanz2018
- Solidarität und Kochen in Krisenzeiten: Eine griechische Geschichte
Oh, da wäre ich gerne dabei! Und aus allen Pötten!
Ja, super, oder? Ich hätte auch Lust darauf …