Apfelstrudel mit Trockenfrüchten zum Laubhüttenfest
Jetzt ist der Monat der Feiertage, angefangen mit Neujahr bis zu den Prozessionen am Monatsende. Moment – wie? Neujahr? Prozessionen? Irgendwas nicht mitbekommen?
Also, ich jedenfalls habe davon noch nie irgendetwas mitbekommen, und das gilt vermutlich für viele von uns. Denn ich spreche vom Judentum und vom Monat Tischri, in dem die höchsten jüdischen Feiertage liegen: das Neujahrsfest Rosch Haschana, der Versöhnungstag Jom Kippur, das Laubhüttenfest Sukkot und am Schluss das Simchat-Tora-Fest, das mit feierlichem Tora-Lesen und Prozessionen gefeiert wird. Für rund 200.000 Juden in Deutschland spielen diese Feiertage eine Rolle – für einige als Bestandteil ihres Glaubens, bei manchen hat sich vielleicht nur noch die eine oder andere Tradition erhalten (so wie ja Weihnachtsbäume auch längst nicht nur bei gläubigen Christen stehen).
Was wäre wohl, wenn die Deutschen 1933 anders gewählt hätten? Würden wir heute jüdischen Nachbarn zu Rosch Haschana selbstverständlich Neujahrsgrüße sagen (und nicht nur den verballhornten „Guten Rutsch“ zum 31.12.)? Oder aus dem Fenster gucken, im Hof eine mit grünen Zweigen gedeckte Hütte sehen und uns daran erinnern, dass ja Sukkot ist? Ich denke schon. Und komme nicht umhin zu überlegen, wie wacklig Demokratie und friedliches Zusammenleben sind, wenn man radikalen Deutschtümlern nicht entschlossen entgegentritt! Und dass das Zusammenleben verschiedener Kulturen eben auch kulturelle Bereicherung bedeutet, bei allen Diskussionen, Meinungsverschiedenheiten und Schwierigkeiten, die das manchmal mit sich bringt.
So nehme ich das Blogevent zum Thema „Religionen der Welt kulinarisch“, das Peter vom Blog Aus meinem Kochtopf ausrichtet, zum Anlass, mir die aktuellen jüdischen Festtage etwas näher anzusehen. Das zweitägige Neujahrsfest, Rosch Haschana, liegt gerade hinter uns. Es erinnert an die Erschaffung der Welt und an den Geburtstag Adams, und natürlich ist es der Tag, an dem man sich ein gutes und süßes neues Jahr wünscht. Traditionell werden deshalb in den Synagogen und Tempeln in Honig getauchte Apfelschnitze verteilt. Aus demselben Grund tischt man alle möglichen süßen Gerichte auf, aber auch gebackene Schafsköpfe oder aber Fische im Ganzen mit Kopf – sie sollen symbolisieren, dass man im kommenden Jahr „am Kopf“, also vorn dabei ist.
Auch der Versöhnungstag Jom Kippur ist vorbei; er begann dieses Jahr am Abend des 29. September. Für das Judentum ist er der höchste Feiertag. An ihm wird gefastet, und man bittet um Vergebung der Sünden.
Während Jom Kippur rein aus kulinarischer Sicht natürlich nicht so ergiebig ist, sieht das beim Laubhüttenfest Sukkot anders aus. Und für dieses Fest kommt auch dieser Artikel noch rechtzeitig: Es beginnt nämlich dieses Jahr am Abend des 4. Oktober und zieht sich über eine ganze Woche; allerdings sind nur die ersten ein bis zwei Tage Feiertage. Vermutlich war es ursprünglich eine Art Erntedankfest, später wurde es mit dem Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei und der folgenden Wanderung durch die Wüste in Verbindung gebracht, als die Wandernden in provisorischen Hütten übernachten mussten. Solche Hütten, Sukkah genannt und mit grünen Zweigen gedeckt, baut man zu Sukkot jedes Jahr wieder, und in ihnen treffen sich Familien und Freunde zum Picknick und zum gemeinsamen Feiern.
Die Juden, die ich befragt habe, kannten keine Gerichte, die speziell zu Sukkot serviert werden. Aber eine Recherche im Netz ergab, dass zumindest in den USA der Erntedankcharakter des Festes dadurch betont wird, dass es Gerichte mit Früchten gibt – und gefüllte Speisen, denn sie sollen wie eine Art Füllhorn eine reiche Ernte symbolisieren. Von da ist es nicht weit zum Apfelstrudel, der tatsächlich auch an mehreren Stellen als Gericht genannt wird, das sich für das Laubhüttenfest besonders eignet.
Voilà: hier also mein Apfelstrudel, der den Bogen von den Honigäpfeln zu Neujahr bis zum Früchtereichtum von Sukkot spannt. Ich habe die Äpfel mit Trockenfrüchten kombiniert, um den Aspekt des Dankes für eine reiche Ernte beziehungsweise ein gutes Leben noch etwas zu verstärken.
Dieser Strudel passt übrigens auch für Nichtjuden wunderbar in die Jahreszeit! Und auch allen, die sich noch nie an Strudel gewagt haben, lege ich ans Herz: versucht es einfach mal. Es ist wirklich nicht schwer. Und das sage ich als Eher-nicht-Bäckerin! Das Rezept gibt es unten; hier kommt die Strudel-Foto-Love-Story.
Der Teig muss nach dem Zusammenkneten eine Stunde ruhen. Das gibt einem reichlich Zeit, um die Füllung für den Strudel vorzubereiten.
Ein Tuch über die Arbeitsfläche decken (bei mir eine alte Tischdecke, die einfach über den Küchentisch kommt), mit Mehl bestäuben und den Teig erst einmal mit dem Nudelholz so groß wie möglich ausrollen.
Jetzt fährt man mit den Händen unter den Teig und zieht ihn über den Handrücken vorsichtig immer größer und dünner.
Der Teig ist superelastisch – das ist das Schöne daran. Aber mir reißt er trotzdem gelegentlich. Und wisst ihr was? Das ist überhaupt nicht schlimm. Löcher lassen sich ganz einfach wieder zukneifen, geflickte Stellen verschwinden nachher im Strudelinneren – und Löcher am Rand werden einfach mit abgeschnitten. Fertig.
Selbst bei mir kann man nachher die Zeitungsseite durch den dünnen Strudelteig hindurch lesen.
Jetzt die Füllung auf dem Teig verteilen und die ganze Sache mithilfe des Tuchs aufrollen.
Den fertigen Strudel mit dem Tuch einfach aufs Blech rollen.
So kommt er dann aus dem Ofen …
und auf den Tisch.
- 250 g Weizenmehl (Type 550)
- 125 ml lauwarmes Wasser
- 3 TL neutrales Pflanzenöl
- 1 TL Apfelessig
- ½ TL Salz
- 1 Bio-Zitrone
- 1 kg Äpfel
- 150 g Trockenfrüchte (Sauerkirschen, Cranberrys, Aprikosen, Datteln)
- 60 g Walnüsse
- 40 g gehackte Mandeln
- 40 g Zucker
- 3 TL Vanillezucker
- 75 g Butter
- 4 EL Semmelbrösel (falls nötig)
- Backpapier für das Blech
- Mehl zum Verarbeiten
- Puderzucker zum Bestreuen
- Für den Teig das Mehl in einer Schüssel mit Wasser, Öl, Essig und Salz mischen und ca. 10 Min. mit der Maschine kneten. Die Teigkugel in Frischhaltefolie wickeln und auf der Arbeitsfläche 1 Stunde ruhen lassen.
- Inzwischen die Füllung vorbereiten: Die Zitrone heiß abwaschen, trocknen, die Schale abreiben und den Saft auspressen. Die Äpfel schälen, vierteln, das Kerngehäuse entfernen, die Viertel längs halbieren und in feine Scheiben schneiden. In einer Schüssel mit dem Zitronensaft mischen, damit sie nicht braun anlaufen.
- Den Backofen auf 200° Ober-/Unterhitze vorheizen. Ein Blech mit Backpapier belegen. Größere Trockenfrüchte klein würfeln. Die Walnüsse hacken und mit Trockenfrüchten, Mandeln, Zucker, Vanillezucker und Zitronenschale unter die Äpfel mischen.
- Ein großes Tuch auf die Arbeitsfläche legen und mit Mehl bestäuben (ich habe ein altes Tischtuch genommen und damit meinen kleinen Küchentisch bedeckt. Den Teig darauf so dünn wie möglich ausrollen. Jetzt mit den Händen unter den Teig fahren und mit den Handrücken vorsichtig ziehen, sodass er immer dünner wird. Falls er reißt: kein Problem – zukneifen und weitermachen. Zum Schluss dicke Teigränder abschneiden.
- Die Füllung mit einigem Abstand zum Rand auf dem Teig verteilen. Falls die Äpfel sehr viel Flüssigkeit gezogen haben (oder die Menge Zitronensaft sehr groß war), Semmelbrösel darüberstreuen. Sie sollen etwas Feuchtigkeit aufsaugen.
- Den Strudel mithilfe des Tuches aufrollen und auf das Backblech bugsieren und im Ofen (unten) in ca. 30 Min. goldbraun backen. Herausnehmen, etwas abkühlen lassen (er schmeckt warm oder kalt) und zum Servieren mit Puderzucker bestreuen.
Peter hat dieses Blogevent anlässlich der 500-Jahr-Feier der Reformation ausgerufen. Ich gebe zu: Den Bogen von jüdischen Festtagen zu Luther zu schlagen fällt mir nicht ganz leicht. Schließlich sind die Worte und Schriften des Reformators über die Juden berüchtigt und haben vor allem auf fatale Weise nachgewirkt. Aber vielleicht kann ich wenigstens das sagen: Hätte Luther Sukkot mitgefeiert und dabei diesen wunderbaren Apfelstrudel gegessen, dann hätte ihn das womöglich versöhnlicher und toleranter gestimmt.
Vielleicht.
Und jetzt wünsche ich allen Juden ein schönes, friedliches und freudiges Laubhüttenfest!
- Probiotischer Krautsalat, oder: Selbst gemachtes Sauerkraut
- Genuss, Revolutionen und Galettes
Danke für diesen tollen Artikel 💖.
Danke für das Lob! :-)
Man merkt die Absicht … und ist verstimmt. In den jüdischen Feiertagstraditionen gibt es zu jedem Feiertag (nicht zu jedem Fasttag) bestimmte kulinarische Traditionen – eben außer zu Sukkot. Es macht gerade die Besonderheit von Sukkot aus, daß es hier KEINE festgelegte Tradition gibt. Wenn man sich schon jüdischer Küche annähern will, dann fände ich es passender, sich die entsprechenden Seiten, die sich mit religiöser Tradition beschäftigen und entsprechende Rezepte zur Verfügung stellen, anzuschauen.
MOMENT ist – seinem Selbstverständnis nach – ein säkular-jüdisches Magazin. Von daher findet man halt Rezepte, was Amerikaner im Herbst so essen. Und bei den aus Österreich eingewanderten alten Juden spielt natürlich Strudel eine gewisse Rolle.
Für Religionen kulinarisch im Oktober würde sich das im schiitischen Islam begangene Aschura-Fest eignen. Ich finde es kurios, wenn Leute, die selber nichts mit einer religiösen Tradition zu tun haben, dann kulinarisch was erfinden wollen. Warum nicht einfach ein Blog-Event „Herbstküche mal anders“?
Die Absicht des Blogevents ist keineswegs durch „Herbsküche mal anders“ zu ersetzen. Es geht vielmehr generell um religiöse Feste ALLER (möglichen) Religionen.
Bitte informieren Sie sich deshalb hier über Grund und Absicht des Blogevents
https://aus-meinem-kochtopf.de/religionen-der-welt-kulinarisch-reformationsjahr-2017/
Mit stets leckerem Gruß
Peter G. Spandl
Ich habe die Beschreibung des Blog-Events gelesen und die Grundidee gefällt mir: Gerichte, die mit einzelnen religiösen Festtraditionen verbunden sind vorzustellen und so ein Kennenlernen anzuregen. So zumindest habe ich die Beschreibung verstanden. Die Festtagsgerichte haben ja symbolische Bedeutungen, die etwas mit der Grundaussage, die hinter einem Fest steht, zu tun hat. Und hier setzte meine Kritik an, denn es hat ja einen tieferen Sinn, daß es zu Sukkot eben keine kulinarischen Traditionen gibt wie zu den anderen jüdischen Festen. Das ist ein Grundaussage, die mit dem Inhalt des Festes zu tun hat.
Natürlich kann sich jeder inspirieren lassen von was er will , ausgeben als was er das will- und das kann so schräg sein wie es will. Ein Aufgreifen jüdischer Traditionen ist für mich nicht erkennbar.
Ach, schade, dass Sie das so streng sehen. Gut, der Artikel mag die jüdische Tradition vielleicht nicht in aller Perfektion einfangen, das schreibt Sabine ja selbst. Aber der Denkanstoß ist doch wunderbar. Es gibt doch hierzulande kaum etwas über jüdische Traditionen zu lesen, warum also nicht einfach einen Anfang machen?
Dass Sie – trotz offenbar erkennbarer guter Absicht – verstimmt sind, tut mir leid. Natürlich hätte ich ein Apfelstrudelrezept auch einfach unter die Überschrift „Herbstküche“ stellen können. Aber mir ging es gerade darum, das Thema jüdische Traditionen aufzugreifen. Denn ich finde es schade, dass inzwischen fast alle eine Vorstellung von islamischen Feiertagen wie Opfer- oder Zuckerfest haben, aber die jüdischen Feiertage bei uns so gut wie vergessen sind. Ich habe mich sehr wohl etwas umfassender eingelesen, als meine beiden Links suggerieren, auch auf offenkundig sehr religiös orientierten jüdischen Seiten und in Claudia Rodens großartigem „Book of Jewish Food“. Sicher, an den meisten Stellen hieß es, dass es für Sukkot keine bestimmten traditionellen Gerichte gibt (aber wie gesagt, man findet sehr wohl reichlich Belege im Internet dafür, dass das mit dem Apfelstrudel nicht aus der Luft gegriffen ist). Allerdings hieß es auch nirgends, es dürfe auch keine solchen Gerichte geben! Und schließlich schreibe ich auch nirgends, dass ich hier ein traditionell jüdisches Gericht präsentiere. Ich habe mich von den aktuellen Feiertagen zu diesem Strudel inspirieren lassen. Ich denke, das sollte erlaubt sein. Im Übrigen plane ich, mich in den kommenden Wochen noch etwas tiefer mit jüdischen (Ess-)Traditionen auseinanderzusetzen. Aus der interessierten Sicht einer Nichtjüdin.
Danke Sabine
für diesen wunderbaren und sehr interessanten Beitrag.
Gerade deshalb, weil er auch noch mit dem Luther endet, der ja nur als Aufhänger dafür fungieren sollte, sich mit anderen Religionen zu befassen.
Was schließlich toll geschehen ist ;-)
Mit leckerem Gruß,
Peter
Danke, Peter! Und vielen Dank für das Ausrichten des Events. :-)
Schöner Artikel, mit Hintergrund und einem klasse Rezept. Du hast m.E. ganz recht, die traditionell jüdischen Fest-Tage sind bei uns sehr stark aus dem Fokus geraten. Auf us-amerikanischen Seiten ist viel zu finden, allerdings hab ich dann doch auch manchmal den Kopf geschüttelt was da alles an Speisen zu finden ist. Und so ist eben nur eine Annäherung möglich….
Danke! :-)