Feurig statt langweilig: Chinesische scharf-saure Kartoffeln
Von geschmacksbefreiten, verkochten Kantinen-Salzkartoffeln sind diese Kartoffelstäbchen ungefähr so weit entfernt wie … nun ja, wie Deutschland von China. Was jetzt kein rasend kreativer Vergleich ist, denn dieses Gericht aus ihrer chinesischen Heimat hat mir Linpei nach unserem Interview gezeigt, um zu erklären, weshalb sie der deutsche Großküchenumgang mit einem eigentlich interessanten Gemüse so fassungslos macht.
Kartoffeln können schließlich auch knackig! Und scharf-sauer-aromatisch, sodass jeder Bissen auf der Zunge ein Geschmacksfeuerwerk auslöst. Mit deutlicher Betonung von „Feuer“ übrigens: In diesem Rezept werden mit Szechuanpfeffer, getrockneten Chilis und frischen Peperoni gleich dreierlei Scharfmacher eingesetzt. Als Papillenberuhiger dient natürlich Reis, und normalerweise stehen diese scharf-sauren Kartoffeln auch nur als eines von mehreren Gerichten auf dem Tisch.
Bei unserem interkulturellen Kochtreffen sah das ein bisschen anders aus. Erstens war angesichts der Sommerhitze der Appetit bei uns allen ohnehin nicht so groß. Und zweitens gab es ja als Teil 2 des Kulturaustauschs ein deutsches Gericht, nämlich Grießpudding mit kalter Holundersuppe. (Ja, ich habe Fotos gemacht. Nein, ich zeige sie euch nicht. Ich sage nur: bleiche Grießinseln, die in flüssigem Teer versinken. Nicht. Schön.)
Ein paar Tage später haben M. und ich diese Kartoffeln gleich noch einmal gegessen. Diesmal haben wir sie mit knusprig gewokktem Schweinebauch kombiniert (ein wirklich köstliches Rezept von Meuth/Neuner-Duttenhofer, das Petra von Chili & Ciabatta leicht verändert hat – von ihr habe ich es). Statt des Pak Choi haben wir zwei Brokkoli verwendet. (Ich weiß zwar nicht, ob wir in Deutschland derzeit eine ähnliche Brokkoli-Schwemme zu verzeichnen haben wie in England, aber auch wenn der Verzehr bei uns nicht unter patriotische Pflicht fällt: Das Gemüse sah auf dem Markt gerade toll aus und schmeckt hier mit einer ordentlichen Portion Knoblauch sehr, sehr lecker.)
Das Besondere an dem Kartoffelgericht ist, dass die feinen Stäbchen (Julienne) vor dem Garen mehrfach gewaschen werden, um die Stärke fortzuspülen. Dann werden sie ungefähr 10 Minuten gewässert. Ich hatte den Eindruck, dass dieser Schritt sie besonders knackig macht. Kurz vor dem Essen werden sie in Öl gebraten, das zuvor mit den Gewürzen ordentlich erhitzt wurde – hier lautet die Parole „Fenster auf“, denn die Dämpfe von Chili und Szechuanpfeffer beißen ganz schön in den Atemwegen. Zum Glück aber nur kurz, dann werden die Gewürze entfernt.
Alles in allem: ein sehr einfaches, sehr schnelles Kartoffelgericht, das unserer Vorliebe für Scharfes entgegenkommt und uns gerade in Kombination mit dem süßlich-knusprigen Schweinebauch und dem milden Brokkoli wirklich sehr, sehr gut geschmeckt hat! Auch wenn ich Pell- oder Salzkartoffeln dafür nicht ganz aufgebe: Es erweitert definitiv das Kartoffel-Repertoire.
- 500 g festkochende Kartoffeln (möglichst große Exemplare)
- 3 - 4 EL Reisessig (ersatzweise Weißweinessig)
- 2 rote und 2 grüne Peperoni
- 1 Stück Ingwer (ca. 20 g)
- 6 EL Öl
- 4 lange getrocknete Chilischoten (oder 8 kleine)
- 1 EL Szechuanpfeffer
- 2 TL Zucker
- Salz
- Die Kartoffeln schälen und der Länge nach in streichholzdünne Stifte schneiden - wer hat, verwendet dafür einen Julienneschneider.
- Die Kartoffelstäbchen in eine Schüssel mit kaltem Wasser geben und das Wasser so oft wechseln, bis es klar bleibt. Die Kartoffeln in frischem kaltem Wasser mit 1 EL Reisessig ca. 10 Minuten liegen lassen, bis die übrigen Zutaten vorbereitet sind.
- Die Peperoni ohne Stielansatz längs halbieren, Samen und weiße Scheidewände herauskratzen und die Peperoni waschen. Das Fruchtfleisch in lange Streifen schneiden.
- Den Ingwer schälen und in grobe Stücke schneiden.
- Das Öl in einer weiten Pfanne oder einem Wok stark erhitzen. Die getrockneten Chilis, den Ingwer und den Szechuanpfeffer zugeben und unter Rühren anrösten, bis scharfer Rauch aufsteigt. Die Pfanne vom Herd nehmen, die Gewürze aus dem Öl fischen und wegwerfen.
- Die Kartoffeln in ein Sieb abgießen und etwas abtropfen lassen. Das Gewürzöl in der Pfanne erneut erhitzen. Kartoffelstäbchen und Peperonistreifen hineingeben und mit Zucker, 2 EL Reisessig und Salz würzen. Alles bei hoher Hitze unter ständigem Rühren 3 - 4 Min. braten, bis die Kartoffeln knapp gar sind. Mit Essig und Salz abschmecken und zu Reis servieren.
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Klingt sehr verlockend und ich habe für Samstag Schweinebauch bestellt… un weiß noch nicht genau, wie ich ihn zubereiten will… vielleicht so?
Das mit den Kartoffeln probiere ich zeitnah aus! Danke.
Das Schweinebauchrezept kann ich wirklich empfehlen! Knusprig, saftig, würzig – und der Kochsud gibt eine feine Sauce für Gemüse. Ich habe es noch ein bisschen einfacher gemacht als Petra – ich habe mir nämlich das Einschneiden der Schwarte nach der Hälfte der Kochzeit gespart, das Fleisch einfach 2 Stunden gegart, dann aufgeschnitten und im Wok gebraten. Plan ggf. eine Nacht Kühlzeit ein: Danach ist es noch aromatischer, und es lässt sich auch leichter dünn aufschneiden. Das konnte ich feststellen, als wir gestern Abend den Rest in einer Reispfanne verwurstet haben.
Mir geht es ähnlich wie Dir. Salzkartoffeln gehen eigentlich immer. Aber trotzdem freue ich mich über das eine oder andere alternative Kartoffelrezept im Ärmel. ;-) Deines kommt auf die Nachkochliste.
Freut mich, multikulinaria! Wobei ich sagen muss, dass ich (gute) Salzkartoffeln schon manchmal ganz gerne mag, Pellkartoffeln noch lieber, aber ansonsten eher Nudelfreundin bin. Vielleicht ja die Reinkarnation einer Nordchinesin, wer weiß! ;-)